Die Bar Sünde ist eine kleine und gemütliche Insider Bar zwischen Schanze und Reeperbahn in Hamburg. Sie bietet neben bequemen Sitz- und Barplätzen im vorderen Bereich, auch einen geräumigen hinteren Raum zum kickern, zurückziehen und rauchen.
»Sankt Pauli ist einer meiner Lieblingsstadtteile! Der hat Vorteile und Nachteile, aber ich mag selbst die Nachteile und über die Vorteile freue ich mich, deshalb bleibe ich hier!«
Ich bin Daryoush und ich wohne seit 25 Jahren hier. Besonders im Bereich Sankt Pauli und Altona, das war mein erster Anhaltspunkt überhaupt in Deutschland. Und hier bin ich auch geblieben, weil ich eine Großstadtratte bin. Und da Hamburg für mich, wie ein großes Dorf ist, Sankt Pauli für mich aber das Gefühl von einer Großstadt hat. Woanders möchte ich auch nicht hin, denn hier ist nicht nach zwanzig Uhr langweilig. Du triffst immer Menschen, du hast immer irgendwelche Läden, die aufhaben und sich an Regeln halten oder auch mal nicht. Tun die auch mal nicht und das ist gut so aber, dass wir von der Stadt Hamburg, die nach meiner Meinung die toleranteste Stadt in Deutschland ist, wird das toleriert. Also das heißt: Sobald du keine Probleme machst, dann mach’ was du willst. Und das mag ich auch an Sankt Pauli, wie es früher war und wie es heute ist. Und deshalb ist es auch der perfekte Ort, um hier bei der Kultur und der Barkultur einen Beitrag zu leisten und mit zu machen.
Das ist das erste. Wieso ich es hier gut finde und Sankt Pauli überhaupt einer meiner Lieblingsstadtteile ist. Der hat Vorteile und Nachteile. Wie in jedem anderen Stadtteil, aber ich mag hier auch die Nachteile. Deshalb bin ich hier! Und über die Vorteile freue ich mich.
Einerseits gibt es auch hier mittlerweile seit mehreren Jahren diese Gentrifizierung, die leider weltweit in solchen Ecken stattfindet. Solche Ecken, wo man eigentlich erstmal nicht Fuß fassen oder sie besuchen möchte, aber auf einmal findet man sie cool und dann kommt man dahin. Nur haben wir im Moment so ein bisschen Problematik mit den Leuten, die sich nicht integrieren. Und Integration ist eigentlich nicht nur Landessache oder kontinentale Sache, sondern auch ein Stadtteil Thema. Und wenn jemand hier nach Sankt Pauli kommt oder Altona, weil er das mag, soll er nicht behaupten, dass es so sein soll er möchte, sondern er muss gucken wie die Leute hier leben. Und genau deshalb mag man es und deshalb bleibt man. Leider ist es im Moment nicht so. Wir haben schon mehrere neue Einwohner, die erst seit zwei Jahren selber hier sind und dann über Touristen, die hier her kommen meckern. Das finden wir eigentlich absurd, denn eigentlich lebt dieser Stadtteil von Leuten, die kommen. Hamburg ist eine Hafenstadt, Sankt Pauli ist am Hafen und deshalb ist es auch so beliebt, wegen dieser Vielfalt. Und Menschen, die unterschiedlich sind und hierherkommen und sein können wie sie wollen. Und wir versuchen das so beizubehalten.
Und dann kommen wir zum anderen Teil: diese Bar. Sie wurde so genannt: Sünde. Und auch die Dekorationen und Aufmachung wurde bewusst so gelassen, wie sie vor sechzig, siebzig Jahren war, also seit kurz nach dem Krieg.
Das hier ist die coolste Straße in der Umgebung, weil sie schon eine lange Geschichte und ein kleines cooles Merkmal hat. Die Bernstorffstraße ist die einzige Straße in Hamburg, in der man, wenn man durch guckt bis zum Horizont am Ende sieht. Es ist nicht zu gebaut.
Und ein anderer Teil der Geschichte ist, nach dem zweiten Weltkrieg, war das hier eine berühmte Straße. Es gab hier viele jüdische Mitbürger, da hier eine Bank war. Und deshalb ist das hier auch ein sehr interessanter, historischer Bereich.
Ich habe auf ein Bild von 1892 aus dem Archiv gesehen, dass hier sogar eine Straßenbahn durch ging. Und die Lokale, die hier sind, die gab es auch damals. Einige sind ein bisschen umdekoriert und umbenannt und auch umstrukturiert worden, aber jedes hat eine so großartige Geschichte hinter sich.
Bei der Bar hier weiß man nicht wie lange sie schon existiert, aber seit mindestens siebzig Jahren. Und so entsprechend sehen auch Wände aus! Hier sollen die alten Traditionen und Gewohnheiten, die Menschen, die hier gewohnt haben und immer noch leben haben, beibehalten werden. Als wir vor 18 Jahren aufgemacht haben, war hier eine Künstler- und alles-mögliche-Ecke. Keiner wollte freiwillig hier vorbeikommen oder wohnen. Es mussten sogar einige Leute bezahlt werden, damit sie hier wohnen wollen. Das Thema hatten wir lange, aber dann haben wir uns gedacht: »Okay, also die neue Art Bars und Kneipen, die von Amerika rüberkommen waren in der Zeit in.« Die wollten alles groß haben, aus Leder haben, schick haben, weiß haben, glatt haben, hell haben. Wir dachten »Naja, das passt weder zu Hamburg noch zu seinen Pauli.« Hier sind die Menschen gemütlich, wenn das Wetter es hergibt, kommst du abends raus und möchtest nicht verblendet werden oder irgendwo sitzen, wo wenn du aufstehst, du irgendeinen Flecken hinterlässt. Also du willst ja aus dem Haus rauskommen, weil du nicht dein zu Hause versauen willst. Also du willst einen Platz zum Rauchen, zum Trinken, zum sich ausziehen und machen was du willst. Naja, das war perfekt: Sankt Pauli ist perfekt, der Name – wir dachten an Sünde – ist perfekt, das ist was einem am meisten Spaß macht, und dann haben wir die Bar so gelassen, das ist urig, viele sagen gemütlich. Und wenn man kein Problem hat, in eine dunkle, urige Kneipe rein zu kommen, dann hat man hier eine gute Wahl getroffen, glaub ich.
Also die Geschichte von den Bars und Kneipen und den Stadtteilen, den Amüsiervierteln, die es in jeder Stadt gibt oder geben sollte, die Geschichte ist so, dass man früher immer zu Hause Spaß haben wollte; wollte rauchen, wollte trinken, wollte rülpsen, wollte Dinge unter der Gürtellinie machen. Bei sich zu Hause hatte man eine Frau, hatte seine Kinder, das ging da nicht. Also hat man irgendwann mal ein Nudelholz auf den Kopf bekommen, das gehört sich nicht. Was machen also die Leute, die ab und zu mal aus sich rausgehen wollten, die haben sich dann in einer Scheune getroffen und neben den Schweinen haben sie getrunken, gerülpst, geraucht und gemacht was sie wollten. Daraus ist dann eine Kneipe geworden. Das heißt das ist ein Ort, wo du was machen kannst, das du zu Hause nicht kannst.
Wenn es mehrere solcher Orte gibt, dann entwickelt sich so ein Stadtteil.
Ein Stadtteil ist wie eine Familie. Die in einem Stadtteil wie – sage ich mal – Blankenese, die möchten so einen Ort nicht haben. Weil das wie eine Person ist, die in einer Familie ist, und das ist eine Bar oder ein Lokal in einem Stadtteil. Und da haben sie sich diese Lokale in einer Ecke gesammelt. Daraus ist ein Amüsierstadtteil geworden. Das heißt Sankt Pauli ist im Prinzip eine Gemeinschaft von Lokalen, wo sich Menschen darin benehmen können, wie sie es nicht zu Hause tun. Und eigentlich braucht jede Stadt so einen Platz.
Viele Städte haben das nicht geschafft. Hamburg hat das, finde ich, am besten gemacht – Hafen, Sankt Pauli, durch die Hafen ist es international, natürlich gibt es ein Interesse daran und Menschen werden offen, also wo der Hafen ist, da sind die Menschen offener Fremden gegenüber. Und über Fremde kannst du dich ärgern, kannst du dich freuen, kannst du was lernen und kannst du auch etwas miterleben, was du selbst noch nicht erlebt hast. Und dadurch kannst du dich dabei amüsieren, es ist perfekt. Deshalb ist Sankt Pauli ein Platz, in dem man die Sau rauslassen kann und dabei aber auch permanent interessante und neue Sachen erleben kann.
Und ich glaube in einem anderen Stadtteil wird es sowas nicht noch einmal geben – geht auch nicht. Und ich wünsche mir, dass das weiter so bleibt. Die Menschen, die Sankt Pauli und diese Art zu leben mögen, müssen sich dann auch unterstützen, dass das bleiben kann und nicht irgendwann Sankt Pauli auch ein Stadtteil ist wie Eppendorf, der irgendwann aus Boutiquen und Leuten, die einkaufen, besteht und um zehn ist Ruhe, weil irgendjemand morgen arbeiten muss oder schlafen muss oder ein Kind hat. Das darf für diesen Stadtteil nicht sein, denn dieser Stadtteil ist einfach einmalig. Und das kaputt zu machen ist unverantwortlich. Deshalb sind die Lokale in Sankt Pauli auch dafür verantwortlich, dass man sich nicht mit jedem Trend einfach mitgeht, sondern man muss gucken, wo man lebt und was dieser Ort braucht. Dann gibt man und nimmt man und Sankt Pauli muss Sankt Pauli bleiben.