Die Kneipe in der Parallelstraße zur Reeperbahn hat sich in den letzten Monaten frisch aus dem Ei gepellt - statt düsterer Raucherkneipe erwartet euch eine moderne, aber dennoch urige Bar.
»Sankt Pauli in einem Wort … in einem Wort ist schwierig. Laut ist es auf jeden Fall und das gehört auch dazu. „Bunt“ wäre auch noch ein Wort, „Schrill“ – das sind jetzt schon drei. Auffällig, gemütlich, weltoffen.«
Ja, Moin! Ich bin Christian. Ich bin der Eigentümer von der Seilerhütte auf Sankt Pauli. Die Seilerhütte habe ich zusammen mit zwei Freunden Ende 2018 übernommen. Es war eine alt eingesessene Spelunke … Kneipe … ein Laden, wo sich gerne alle möglichen alten und jungen Menschen getroffen haben, um Geschichten zu tauschen, um eine gemütliche Knolle zu trinken – rund um die Uhr geöffnet, sehr alt eingesessen. Die Betreiber hatten keine Lust mehr, haben verkauft und wir sind darauf aufmerksam geworden und haben den Laden übernommen mit der Idee, es wirklich als Kneipe/Bar weiterleben zu lassen, weil dieses Aussterben der Kneipen etwas ist, was wir sehr schade finden. Diese Gemütlichkeit, die diese Kneipe ausstrahlt, dieses Vertraute und dieses angenehme, nicht zu „überhipste“ ist etwas, was wir selber sehr gerne mögen, was auch irgendwie zur deutschen Kultur dazugehört und an Bedeutung ein bisschen verloren hat, aber eigentlich wichtig ist. Ein bisschen verglichen mit der Pubszene in England. Auf jeden Fall haben wir es dann übernommen und haben angefangen das Ding ein bisschen flott zu machen, haben jeden Tag mehr gemacht und gemerkt, dass der Laden, nachdem er bestimmt 40 Jahre kaum angefasst wurde, relativ zerfallen ist. Wir haben bestimmt 20 verschiedene Tapeten von der Wand geholt und wirklich komplett unterschiedliche Arten – Gold, Stofftapete – also hier muss schon sehr viel passiert sein. Die Geschichten kenn ich leider nicht alle. Die Seilerhütte gibt’s auf jeden Fall viele Jahre. Wir haben dann alles komplett herausgerissen und den Laden von Scratch an noch einmal neu aufgebaut. Wir haben die Wände gemacht, den Boden gelegt, die Wandvertäfelung gebaut, ’ne neue Bar gebaut. Alles ein bisschen auf alt, urig und gemütlich. Die Idee dahinter, dass es natürlich weiterhin eine Kneipe ist. Zwar eine neue, aber wenn über die Jahre da ein bisschen Patina hineinkommt, dann doch eine Nachbarschaftskneipe.
Die Kneipe gehört natürlich zu Sankt Pauli, die ist schon fest verwurzelt und Sankt Pauli ist, wie viele andere Stadtteile ja auch, in Bewegung und verändert sich. Es hat sich über die Jahre sehr doll verändert, sieht man ja auch daran, dass wir jetzt hier sind, das ist auch ein Teil der Veränderung. Viele junge Leute, viel buntes Volk immer noch, viel offenes Volk. Eigentlich ist jeder willkommen. Man wird nicht schräg angeguckt dafür, dass man anders ist oder anders denkt oder wie auch immer man denkt, „anders“ mal außen vor gelassen, aber einfach wie man ist. Man kann sich frei bewegen. Es ist ein bunter, lauter Stadtteil und das ist auch das, was einem hier gefällt und das möchte man auch so zelebrieren und eigentlich weiterleben. Deswegen wollten wir hierher.
Mit der Idee, dass diese Kneipe nicht jeden Schi Schi mitmacht sondern einfach so ganz bodenständig Bier und Schnaps verkauft, wie es seit Jahren gemacht wird, vielleicht mit ein, zwei Produkten ein bisschen angepasst an das, was die Leute hier in der Umgebung gerade so trinken möchten, gibt es von bis. Wir wollen nicht zu teuer sein, wir wollen niemanden abweisen auf Grund von hohen Preisen oder irgendwas anderem. Es geht von bis. Es geht günstig los, es gibt aber auch ein bisschen was, was es früher vielleicht nicht gab, auch auf Grund davon, dass Leute herkommen, die früher vielleicht nicht gekommen wären. Die Nachbarschaft hat sich verändert, die ist jünger geworden und diesen Leuten möchten wir auch eine Plattform bieten sich hier wohl zu fühlen, abends ihr verdientes Feierabendbierchen zu trinken und mit ihren Freunden oder den Barleuten zu schnacken, vielleicht etwas los zu werden, neue Leute kennen zu lernen und dann weiter zu gehen oder nachhause zu gehen. Das ist so das, was es früher war und das soll es auch weiterhin eigentlich bleiben.
Eigentlich sind wir alle total Pro Sankt Pauli. Ich finde die Veränderung gehört doch auch immer dazu, das ist einfach Teil davon. Ein Stadtteil ohne Veränderung ist Stillstand, ist einfach nichts. Daher finde ich die Veränderung auf Sankt Pauli größtenteils positiv. Klar, ich kann auch verstehen, wenn viele Leute das negativ sehen und sich wünschen es würde so bleiben, wie es früher war. Ich hänge auch an vielen Sachen, die ich mal kennengelernt habe. Wir möchten aber natürlich gleichzeitig versuchen nicht zu sehr abzuweisen und Neuem auch die Tür aufzumachen mit dem, was man geschaffen hat. Das einzige, was ich jetzt sagen könnte, was an Sankt Pauli, nicht nur auf Sankt Pauli, sondern generell an dieser Veränderung manchmal stört, ist, dass diese Viertel durch die Veränderung hip sind. Durch günstige Mieten ziehen Künstler, Studenten hier hin. Dann zieht das andere Volk, das auch cool und hip sein möchte, nach und alles wird teuer. Der natürliche Lauf der Dinge. Es wird teuer und Leute ziehen her, die auch dabei sein möchten, aber es unterschätzen, was es bedeutet auf Sankt Pauli zu wohnen und dann wiederum anderen Sachen, die schon sehr lange existieren, ’nen Strich durch die Rechnung machen, weil sie die Lautstärke stört. Das ist ein Phänomen, das gibt’s ganz ganz viel. Wenn du hier in der Gastronomie unterwegs bist in Hamburg, dann gibt’s fast keinen Laden, der keine Probleme mit Nachbarn hat und meistens sind es nicht die, die schon lange da sind, meistens sind es die, die zuziehen und sich dann an etwas stören, was schon da ist. Das gibt es sehr sehr viel und eigentlich überall, in der Schanze, in jeder Ecke. Das wäre vielleicht das, was ich ein bisschen schade finde, dass da nicht mehr gegen vorgegangen wird, dass die Kultur, die schon lange existiert, geschützt wird.
Sankt Pauli in einem Wort … in einem Wort ist schwierig. Laut ist es auf jeden Fall und das gehört auch dazu. „Bunt“ wäre auch noch ein Wort, „Schrill“ – das sind jetzt schon drei. Auffällig, gemütlich, weltoffen.