Schräg, schön, schrill: Schmidt Theater und Schmidts Tivoli auf der Hamburger Reeperbahn. Hier schlägt das Herz Sankt Paulis! Am 8.8.88, abends um 8 Uhr 8, wurde das Theater feierlich eröffnet. Außen ein hoch moderner Bau mit rot-leuchtender Glasfassade, erstrahlt das Schmidt Theater innen in altem Glanz.
»Es gibt vieles im Bereich Musik, Theater, Entertainment, was erstaunlicherweise aus privater Initiative (...) entstanden ist. Das wird sich hoffentlich weiter so entwickeln und diesen Stadtteil weiterhin attraktiv machen (...)«
Hallo, ich bin Corny Littmann. Ich bin Chef des Schmidt Theaters, besser gesagt der Schmidt’s Tivoli GmbH und die umfasst drei Theater am Spielbudenplatz: das Tivoli, das Schmidt und das Schmidtchen im Klubhaus Sankt Pauli. Das Schmidt Theater existiert seit 1988. 1991 ist das Tivoli dazu gekommen und im Jahr … ich bin schlecht im Kopfrechnen … also vor fünf Jahren ist das Schmidtchen dazu gekommen. Insgesamt haben wir jeden Tag hier 1250 Plätze im Theater für unsere Besucherinnen und Besucher und wir haben im Jahr 2019 450.000 Menschen gehabt, die unsere Theater besucht haben. Im Wesentlichen machen wir deutsches Musiktheater. Man könnte auch sagen deutschsprachiges Musical, aber das hören wir nicht so gerne. Das machen wir auf unseren Bühnen mit Eigenproduktionen – am erfolgreichsten mit dem Sankt Pauli Musical „Heiße Ecke“, welches wir mittlerweile seit über 17 Jahren spielen. Es läuft und läuft und läuft … wie ein alter VW, aber es ist nicht so alt, es ist sehr neu und wird immer wieder erneuert.
Im Schmidt Theater haben wir ähnlich erfolgreiche Produktionen in den vergangenen 30 Jahren gemacht. Die aktuellste ist „Die Königs vom Kiez“, kommt jetzt demnächst in der Fortsetzung. Das sind nur so einige kurze Stichpunkte. Das Schmidt Theater wird nicht ganz zu Unrecht als „die Wiege der Stars“ bezeichnet, weil alle, die heute im Unterhaltungs-Comedien-Bereich Rang und Namen haben, sind meistens in sehr frühen Jahren, als sie noch kein Schwein kannte, hier bei uns aufgetreten. Manche tun es heute noch, andere sind zu groß geworden, aber nichtsdestotrotz haben sie in einem kleineren Rahmen hier begonnen.
Am Spielbudenplatz 24, dem Sitz des Schmidt Theaters gab es in den 50er, 60er Jahren die Union Lichtspiele, ein kleines 200-Plätze-Theater, was dann in den 70er Jahren zum Kaiserhof wurde. Der Kaiserhof war eines der vielen Unternehmen von Bruno Koschmider, daneben hat ihm das jetzige Docks und die jetzige Große Freiheit gehört. Er war einer der größten Gastronomen hier auf dem Kiez. Der Kaiserhof war eigentlich eine Kleinausgabe vom Café Keese, also Tanz und Kennenlernen, mit meist älteren Menschen. Der Kaiserhof war sein letztes Lokal, was er dann 1987 aufgeben musste und fortan Kartenabreißer im damaligen Aladin Kino war.
Wir haben also diese Union Lichtspiele umgebaut zu einem Theater, damals mit einem sehr geringen Aufwand. Von 1988 betrieben bis 2005 und dann wurde das Schmidt Theater neu gebaut, sehr viel größer, weil das Nebengebäude mit einbezogen wurde. Ursprünglich im Schmidt hatten wir 230 Sitzplätze etwa und jetzt haben wir im neuen Schmidt Theater, was 2007 eröffnet wurde, 420 Zuschauer. Die für das Schmidt Theater typischen roten Sessel haben wir damals auch vorgefunden in den Union Lichtspielen, also es ist ein stückweit Tradition hier im Haus, ohne dass der Zuschauer es eigentlich weiß oder merkt. Genau so, wie die Ausstattung des Theaters Reminiszenzen an die 50er Jahre hat und auch auf die Geschichte des Hauses hinweist. Auch wenn jetzt alles neu ist, haben wir diesen „Schmidt-Stil“ beibehalten.
Das Tivoli war 70 Jahre lang „Zillertal“, eine Bayerische-Österreichische Vorhut, gastronomisch im Wesentlichen, in den letzten 10, 20 Jahren bestückt mit Blasmusik, auch einer kleinen Bühne. Das war eigentlich das nahe Bayern-Österreich für die nordischen Touristen, also Dänen, Schweden, Norweger, die hier nach Hamburg gekommen sind und nicht den weiten Weg nach München machen wollten. Deshalb haben sie eine Kopie dessen, was es da unten gibt oder den Anschein davon, hier in Hamburg gehabt, betrieben von der Löwenbräu und 1990 von der Löwenbräu auch beendet. Die Stadt hat das Haus übernommen, wir haben für die Betreiberschaft des Hauses den Zuschlag bekommen und das sehr aufwendig umgebaut. Das Tivoli hat heute 630 Plätze und sieht natürlich völlig anders aus als das damalige Zillertal. Ein historisches Gebäude, in der Jahrhundertwende – 1890 ungefähr – gebaut und hieß auch ursprünglich „Tivoli“, später, 1920, wurde es dann umbenannt in „Zillertal“. Das „Zillertal“ war in den 50er Jahren ein Tanzlokal, also heute würde man „Diskothek“ sagen. Ein sehr beliebtes Tanzlokal nach dem zweiten Weltkrieg, einer der wenigen Tanzlokale, die es in Hamburg überhaupt gab. Da hat sich Jung und Alt getummelt. Sehr skurriles Gebäude, mit Schießstand, Jägerstube und alles, was so den nordischen Menschen an Bayern oder Österreich erinnern könnte. Das ist in Kurzform die Geschichte der Häuser.
Das Schmidtchen, das kleine Theater mit 200 Plätzen, ist Teil des Klubhaus Sankt Pauli. Das Klubhaus Sankt Pauli ist 2014/2015 ganz neu gebaut worden und beherbergt verschiedene gastronomische Betriebe, aber auch die „Panik City“, das multimediale Museumsereignis von Udo Lindenberg, und das „Skurrilum“, das bekannteste und erfolgreichste Escape Game – nicht nur in Hamburg, sondern weit darüber hinaus. So ist es ein Haus, was vielfältig genutzt wird.
Die Gründung des Schmidt Theaters ist, wenn man so will, schon fast eine private Angelegenheit gewesen. Sowohl ich als auch mein damaliger künstlerische Kollege Ernie Reinhardt, später besser Bekannt als Lilo Wanders, wohnten auf Sankt Pauli, Jahre bevor wir das Schmidt Theater aufgemacht haben. Wir waren künstlerisch aktiv auf Kampnagel, was natürlich von der Distanz ein bisschen weiter weg ist, also Sankt Pauli – Winterhude. Es war der plumpe Zufall eigentlich, dass wir diese Räumlichkeiten entdeckt haben. Sie standen zur Vermietung, das auch noch zu einem damals erträglichem Preis. Weil wir uns auf Kampnagel aus diversen Gründen nicht mehr beheimatet gefühlt haben, weil wir des Reisens müde waren – wir waren nämlich eine Tourneetheatergruppe mit dem Namen „Familie Schmidt – aufrecht, deutsch, homosexuell“ – haben wir uns entschlossen uns sesshaft zu machen hier am Spielbudenplatz 24. Also eine halb private halb berufliche Entscheidung, aber eben sehr durch privates Empfinden geprägt. Als wir 1988 begonnen haben, haben uns unsere besten Freunde sechs Monate gegeben und alle anderen meinten wir sind nach spätestens zwei Monaten pleite. Wir haben mittlerweile den 32. Geburtstag des Schmidt Theaters gefeiert, also glücklicherweise haben alle Unrecht behalten.
National bekannt geworden ist das Schmidt Theater durch eine Fernsehsendung. Von 1989 bis 1992 hatten wir auf dem dritten Programm des Norddeutschen Rundfunks und dann verbreitet über die anderen dritten Programme in Deutschland bis auf Bayern, die Schmidt Mitternachtsshow, eine Live-Sendung, die schrill, schräg, schwul … ungewöhnlich fürs deutsche Fernsehen und auch ungewöhnlich erfolgreich war. Heute würde man sagen, dass das ein Comedy-Format war, aber es war ein sehr eigenes Format mit unbekannten Künstlerinnen, Künstlern, Gruppen … aber auch sehr bekannten. Immer 90 Minuten mindestens und eben immer live, zuerst aus dem Schmidt Theater, später dann 1991 aus dem Tivoli mit geradezu märchenhaften Einschaltquoten – zumindest nach dem Maßstab des NDR und eines dritten Programms. Dadurch sind wir national bekannt geworden. In gewissem Sinne, kann man sagen, profitieren wir heute noch davon, dass viele Menschen, die nach Hamburg kommen, besonders natürlich die älteren, sich noch an dieses Sendung erinnern und zum ersten Mal damals von dem Schmidt Theater gehört haben, heute liebend gerne hier her kommen und sich ansehen, wie es heute aussieht. Also bis heute ein Meilenstein der Geschichte des Schmidt Theaters, der aber in der Folge keine Fortsetzung gefunden hat, weil die Zusammenarbeit mit dem Norddeutschen Rundfunk sich als sehr schwierig herausgestellt hat. Also eigentlich so schwierig, dass uns die Lust daran vergangen ist und im Übrigen sind wir Theater-Macher und keine Fernseh-Macher. Wir werden niemals darauf verzichten Theater live zu spielen und Fernsehen hat ganz andere Gesetzmäßigkeiten, die in der Regel auch langweiliger sind als das Live-Ereignis im Theater.
Es gab Ende der 80er Jahre eine Veranstaltung im damals noch alten Schmidt Theater, die hieß „Six Sex Weeks“. Wir haben Performance Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt eingeladen, die zum Thema Sex, Sexualität und der Umgang damit, Shows auf die Bühne gebracht haben, jeweils eine Woche. Die spektakulärste darunter war Annie Sprinkle, eine New Yorker Performance Künstlerin. Annie ist bis heute noch im Schmidt Theater präsent mit einem Foto, das mit zu den bekanntesten aus der Geschichte des Schmidt Theaters gehört. Sie hat voluminöse Brüste, muss man erklärend dazu sagen, und hat immer ein Bildmotiv gemacht, was es in der Pause und gegen 5 DM Bezahlung gab. Dieses Bildmotiv hieß „Annies Tits on your Head“. Sie hat ihre dicken Titten auf Köpfe gelegt und das ist fotografiert worden. Das hat sie in einer Fernsehsendung mal mit mir gemacht und dieses Foto ist heute noch auf der Rückseite unserer Getränkekarte. Man könnte auch sagen, dass Annie und ihre Brüste immer noch mittrinken. Es hat sich über 30 Jahre frisch gehalten, also der Mann darunter sieht nicht mehr ganz so frisch aus wie damals, aber die Titten können sich heute noch sehen lassen.
Das Schmidt Theater hat sich bei der Gründung in zweierlei Hinsicht an der Geschichte des Stadtteils und am Stadtteil selber orientiert. Also erstmal, das war wichtig damals, waren wir Sankt Paulianer, die ein Geschäft auf Sankt Pauli aufgemacht haben. Nicht aus Eimsbüttel, Blankenese oder sonst wo eingeflogen und haben gesagt »Oh, jetzt machen wir mal ein Lokal auf dem Kiez«, sondern wir waren Ansässige, gewissermaßen Einheimische, die ein Lokal aufgemacht haben. Das war in den Anfangsjahren sehr wichtig, natürlich auch von der Akzeptanz der Sankt Paulianer. Dazu muss man wissen, dass dieser Stadtteil ja ein sehr kleiner ist. Sankt Pauli hat 20.000 Einwohner, das entspricht im städtischen Vergleich einem größeren Dorf, und da kennt man sich, unterstützt sich oder behindert sich – je nach dem. Wir waren aber keine Fremden, sondern wir waren quasi Einheimische, die hier ein Theater aufgemacht habe. Das war das eine. Das zweite war, dass wir uns in der Gestaltung des Theaters sehr an einem traditionellem Gedanken orientiert haben, der in den 20er/30er Jahren des letzten Jahrhunderts seine Blüte auch hier auf Sankt Pauli erlebt hat, nämlich dem Gedanken des „Verzehrtheaters“. Das heißt, dass die Menschen im Theater sitzen können, dabei Getränke zu sich nehmen, unter Umständen auch kleine Speisen, aber sie sitzen nicht in einer festen Reihenbestuhlung, wie eigentlich in jedem deutschen Theater, sondern in einer lockeren Saalbestuhlung und trinken gehört dazu. Am Anfang 1988 wurde auch noch geraucht im Saal. Das kam mir sehr entgegen, weil ich damals sehr viel geraucht habe, aber das ist natürlich heute nicht mehr möglich. Dieses Verzehrtheater, das ist natürlich ein wichtiger Aspekt gewesen. Viele wissen es vielleicht nicht mehr, dass auf Sankt Pauli vor dem zweiten Weltkrieg nicht nur über 50 Theaterbetriebe in jeglicher Art existierten, also unterschiedlichste Art, aber eben auch große Häuser. Das Operettenhaus war ein großes Haus und das zweitgrößte deutsche Varietétheater war der „Trichter“ neben dem Operettenhaus. Wer dort mal längst geht beim Spielbudenplatz, also an einem Ende des Spielbudenplatzes, der wird eine Straße entdecken, die heißt „Beim Trichter“ und das verweist auf das große Varietétheater „Trichter“, was, wie so viele andere Gebäude, im zweiten Weltkrieg zerstört worden ist. Es war eine blühende und vielfältige Kulturlandschaft hier. Natürlich alles im Bereich des unterhaltenden Theaters, also der Operette und der Komödie, davon ist sehr wenig übrig geblieben. Gewissermaßen letzter Zeuge dessen ist das Sankt Pauli Theater, was zum damaligen Zeitpunkt „Ernst Drucker Theater“ hieß und mittlerweile das älteste Theater Hamburgs ist. Also daran haben wir uns orientiert, an der Geschichte der Theaterkultur. Ende der 80er Jahre gab es hier noch ein Café Keese, es gab ein Allotria, das waren große Amüsement-/Tanzlokalitäten, die allesamt ein Tischtelefon hatten, wo man einem Tisch zum anderen Kontakte knüpfen konnte. Das ist in heutigen Zeiten wieder aktuell geworden, weil man nicht so einfach den Tisch wechseln kann, wie man das früher konnte. Deshalb glaube ich beispielsweise sehr an eine Renaissance des Tischtelefons. Auch das sind natürlich nur kleine Mosaiksteine der Geschichte des Stadtteils.
Die Theatermeile, die sich hier ergeben hat, also Sankt Pauli Theater, Tivoli, Schmidt, Schmidtchen, hoch zum Operettenhaus auf der anderen Seite das Imperial Theater, ist, wenn man die Geschichte des Stadtteils betrachtet, ja vielleicht nur 15 % dessen, was hier mal existiert hat. Tatsächlich ist es sehr schwer neue Theaterunternehmen neu zu gründen. Es hat die Räumlichkeiten hier vielfach gegeben, vor allem die vielen Kinos, die es hier gegeben hat, die sind mittlerweile alles Spielhallen oder auch Einkaufsstätten – bedauerlicherweise, weil da wäre noch Platz gewesen. Ansonsten gibt es einfach keine großen Plätze mehr für Theater, aber wenn man die Historie des Stadtteils betrachtet, dann ist das eine Wiederbelebung, aber im viel kleineren Maßstab, eines kulturellen Lebens, was hier in den 20er/30er Jahren des letzten Jahrhunderts geblüht hat. Theater gehörte also in der Vergangenheit zum Stadtteil, selbstverständlich auch in der Zukunft und sicherlich in immer wieder neuen und verschiedenen Formen. Dieser Stadtteil hat sich ja, wenn man alleine die letzten 30 Jahre betrachtet, ständig verändert, ist ständig in Bewegung und davon lebt dieser Stadtteil auch. Es gibt ständig neue Initiativen, Musikclubs, Lokale, alte sind verschwunden … nur mal als Beispiel genannt das Salambo von René Durands war ja schon fast eine internationale Kultstätte. Die gibt’s heute nicht mehr, stattdessen steht da ein Dollhouse, über dessen Qualitäten ich mich nicht äußern möchte. Vieles, was es vor 30 Jahren gegeben hat, gibt es nicht mehr und an Stelle dessen ist viel Neues getreten. Die ständige Bewegung, die ständige Erneuerung des Stadtteils ist etwas, was wesentlich zu Sankt Pauli dazu gehört und hoffentlich auch so bleiben wird. Es gibt natürlich auch Entwicklungen in diesen größeren Bewegungen, die ich als überaus bedauerlich empfinde. Wir hatten in den 80er Jahren hier eine blühende Kinokultur, also viele kleine Kinos: das Radiant Kino, das Aladin, die Oase und einige mehr noch. Die Union Lichtspiele haben wir ja quasi besetzt, wenn man so will. Diese vielen kleinen Kinos sind nach und nach verschwunden. Heute gibt es kein Kino Angebot mehr auf der Reeperbahn. Ich lasse die sogenannten „Pornokinos“ mal bewusst weg. Die Kinokultur ist völlig verschwunden von der Reeperbahn. Das ist, wie ich finde, etwas ausgesprochen Bedauerliches, weil es ein Teil der Unterhaltungskultur sein sollte, ist ohnehin, und hier natürlich auch richtig beheimatet wäre.
Es gibt in diesen ständigen Veränderungen und Bewegungen positive und es gibt genauso negative Aspekte. Ein positiver Aspekt ist sicherlich, dass Musik- und Theaterkultur sich hier auf dem Kiez in den letzten 20/30 Jahren wieder angesiedelt haben, wieder zu finden sind. In zeitgemäßer Form natürlich, also nicht unbedingt traditionell, sondern in zeitgemäßer aktueller Form und die Hoffnung ist, dass sich das auch weiter positiv entwickeln wird – in diesen Bereichen zumindest. Nur als Beispiel: Wir haben ja das Multimedia Museum von Udo Lindenberg, was in Deutschland einzigartig ist, weil es mit neuen Techniken der Darstellung arbeitet, vergleichbares gibt es in ganz Deutschland nicht. Wir haben nicht weit weg von der Reeperbahn die größte touristische Attraktion in Deutschland, nämlich das Miniaturwunderland, was auch in den letzten 20 Jahren entstanden und so groß geworden ist. Es gibt vieles im Bereich Musik, Theater, Entertainment, was erstaunlicherweise in der Regel aus privater Initiative und eben nicht staatlich angeordnet entstanden ist. Das wird sich hoffentlich weiter so entwickeln und diesen Stadtteil weiterhin attraktiv machen oder halten.
Daneben gibt es selbstverständlich auch negative Aspekte. Was bei vielen gerade Jüngeren schon in Vergessenheit geraten ist – wie sollen sie sich auch daran erinnern, sie waren ja noch gar nicht geboren – sind beispielsweise die Peep Shows der 70er und 80er Jahre. Die sind Gott sei Dank komplett verschwunden, es gibt keine einzige mehr hier auf dem Kiez. Das war gerade in den 70er/80er Jahren ein großes Ärgernis auch und hat den Kiez alles andere als geschmückt.
Heute gibt es, neben vielen anderen Problemen, ein großes Problem mit einer riesigen Anzahl, es sind momentan 57, von Kiosken, die Billigalkohol an meist jüngere Menschen ausschenken – davon auch leben, von diesem Alkoholverkauf – und angeblich nur der „Nachversorgung“ der Bevölkerung dienen. 20.000 Menschen leben hier, ich sagte es bereits, und für die gibt es 57 Kioske, da stimmt das Verhältnis schon lange nicht mehr.
Corona hat etwas daran geändert. Ich hoffe, dass es in Zukunft für diesen Stadtteil eine Eindämmung dieser „Kioskflut“ geben wird.
Wenn ich den Stadtteil mit einem Wort beschreiben sollte, dann ist es „mein Zuhause“. Im Übrigen diese Vielfalt mit einem Wort zu beschreiben, das ist schon ein hoher Anspruch. Aber „mein Zuhause“ ist treffend. Ich lebe hier, ich arbeite hier, ich flüchte manchmal und komme immer wieder gerne zurück.