Indie-Liebe rostet nie! Schon seit den 90er Jahren hält das Molotow in Hamburg die Rockfahne hoch. Unter der Woche gibt’s hier neben handverlesenen Konzerten auch Lesungen oder Slams, am Wochenende wird der Musikclub am Ende des Kiez zum Anlaufpunkt für tanzfreudige Gitarren-Fans.
»Obwohl es so doll und traurig war, evakuiert worden zu sein, war das Molotow für so viele Menschen ein zu Hause und ein Ort mit so viel Bedeutung, dass sie nicht einsehen wollten, dass es damit zu Ende geht, sondern, dass es weiter gehen muss!«
F: Hallo, ich bin Fenja aus dem Molotow.
N: Und ich bin Nadine aus dem Molotow.
F: Und ich arbeite hier seit jetzt sieben Jahren. Habe hier angefangen mit ‘nem Praktikum, habe meine Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau abgeschlossen und kümmere mich mittlerweile um das Social Media vom Molotow und um das Booking.
N: Ich bin seit eineinhalb Jahren ungefähr hier, auch durch ein Praktikum, von der Uni aus – Pflichtpraktikum – und bin dann halt einfach hier geblieben. Und ich bin eigentlich mit in der Produktion und jetzt helfe ich grade Fenja mit Social Media ein bisschen
F: Produktion ist grad’ nicht soviel. Ja vielleicht einmal kurz die Story vom Molotow: Ich habe tatsächlich noch das erste Jahr, als ich angefangen hab’, am Spielbudenplatz mitgemacht, wo früher das Molotow war, das ehemalige. Das existierte da seit 1990 und Ende 2013 wurden wir dann evakuiert, während eines Konzerts von der Gruppe Madsen, weil angeblich Wände gewackelt hätten, in den Wohnungen, die über dem Molotow waren und dann die Polizei kam und den ganzen Laden, sowie die anstehenden Wohnungen geräumt hat; und das war dann quasi auch das Ende vom Molotow dort. Wir durften dann noch einmal rein, um unsere alten Sachen zu holen und die ganze Technik, die natürlich super teuer war, die durften wir noch einmal rausholen und Madsen durfte noch einmal ihre Instrumente rausholen netterweise, weil die Tour weiter ging. Genau, das war das Ende vom Molotow am Spielbudenplatz. Wir hatten dann eine kurze Phase an der Holstenstraße, in einem ehemaligen Möbelhaus, welches eigentlich erst nur als Zwischenlagerungsquelle dienen sollte und woraus wir dann kurzerhand versucht haben einen Live-Musik-Club zu machen, welches eigentlich echt nur mit unfassbar viel Hilfe möglich war, von den Stammgästen und DJ’s und Tresen-Menschen und Tür-Menschen und allem Möglichen. Waren da auch nur ungefähr ein halbes Jahr glaube ich, das hat sich nicht so wirklich ganz gelohnt – und sind jetzt seit 2016 in der ehemaligen China-Launch am Nobistor.
Soweit einmal die Story. Ich glaube was das ganz Besondere an diesem Ort ist, ist, dass dieser Ort hier am Nobistor, von so vielen verschiedenen Menschen gebaut wurde, in so kurzer Zeit. Wir waren einfach jeden Tag so um die 60 bis 80, 90 Menschen, die angepackt haben, von halt wirklich Mitarbeitern, Stammgästen, Menschen, die irgendwie mit dem Laden sich verbunden gefühlt haben, aber tatsächlich auch Menschen, die zu der Zeit Hartz-4-Empfänger waren und aber das Molotow mochten und dann gesehen haben, dass das Molotow umzieht, dann hier einfach vor der Tür standen und geholfen haben und teilweise jetzt, wie unser Garderobier Stevie, der immer schön im Anzug an der Garderobe steht, jetzt einfach hier fest Part vom Team sind und einfach geblieben sind und hier fest arbeiten.
Und das ist für mich zumindest eine der schönsten Stories vom Molo, obwohl das irgendwie alles voll doll und traurig war da evakuiert worden zu sein, war es einfach so ein Zuhause, für so viele Menschen und einen Rückzugsort für so viele Menschen, dass einfach so viele Leute mit angepackt haben und etwas mit dem Laden verbinden und das nicht einsehen wollten, dass das Molotow jetzt zu Ende ist, sondern weiter gehen muss und haben da tatkräftig mitgeholfen. Das fand ich einen der schönsten und traurigsten Momente gleichzeitig, in meiner Molotow-Geschichte auf jeden Fall.
N: Man merkt dass auf jeden Fall immer noch, also ich kannte das alte Molotow nicht, ich finde aber, dass Jeder – das merkt man jetzt auch gerade zu der aktuellen Zeit – das jeder am Start ist und das ist eine riesen Familie hier ist, das merkt man jetzt auch im neuen Laden. Und auch, wenn man nicht so die Verbindung zum alten Laden hat, wie ich zum Beispiel, das ist echt schön.
F: Und man merkt es ja auch an Bands und Musikerinnen und Musikern, das auch einfach Support von Band Seite, das da jetzt gerade in der Coronazeit einfach voll viel kommt und Musiker für uns irgendeinen Online-Stream-Konzert gespielt haben und für Spenden für’s Molotow aufgerufen haben, da merkt man auch immer wieder, dass das nicht nur hier in Hamburg voll besonders ist, sondern eben auch Außenstehenden…
N: …in der ganzen Musikszene. So dass das etwas voll Besonderes für viele Leute, egal von wo ist. Selbst, wenn sie teilweise noch gar nicht hier waren.
F: Ja! »Da müssen wir unbedingt mal hin, da müssen wir unbedingt mal spielen!« Das ist schon echt verrückt. Und voll schön! Eigentlich traurig, dass man es immer wieder in solchen Zeiten, wie jetzt den Coronazeiten merkt, dass es irgendwie so ‘ne schöne, familiäre Atmosphäre ist, aber irgendwie macht das dann auch einfach Mut und gibt voll viel Kraft weiter zu machen und das Ganze aufrecht zu erhalten.
Durch den Umzug ist Molotow auch einfach ein super Paradebeispiel für Getrifizierung in Sankt Pauli. Hier passiert so viel, hier wird so viel gebaut und so viel gemacht und so viele tolle Bars und Läden müssen zumachen, weil sie ihre Mieten nicht bezahlen können – und wir ebenso, können unsere Miete hier quasi gar nicht stemmen, in dem Laden gerade und trotzdem hat man irgendwie immer wieder geschafft, weiter durchzuziehen und das irgendwie hinzubekommen, dass man trotzdem weiter überleben kann. Ich glaub’, das ist auch ‘was, das voll für Sankt Pauli spricht, dieses Durchhaltevermögen, dieses für etwas kämpfen, ich glaube wenn das nicht in Sankt Pauli von den Menschen so wäre, wie besonders es halt hier ist, wenn das nicht existieren würde, würden so viele Läden glaub ich nicht mehr existieren, weil in so vielen anderen Städten und anderen Orten ist es so: »Ja ist ja egal, macht halt ‘was neues auf.« Und hier ist es echt so …
N: Es ist halt voll die Gemeinschaft und es hat so dieses positive vom Dorf, sage ich mal. Sankt Pauli ist voll das Dorf, jeder mit jedem irgendwie connected und irgendwie schließt sich immer wieder der Kreis und man kennt jemanden, der woanders in Sankt Pauli arbeitet und man sieht immer die gleichen Leute überall. Also dafür, dass Hamburg so eine große Stadt ist, ist es echt verrückt, dass da so eine krasse Gemeinschaft herrscht und wir auch Teil davon sind.
F: Ja, das ist voll schön! Ich möchte nirgendwo anders sein als auf Sankt Pauli.
N: Wir haben die Türen noch, vom alten Laden. Das hatten wir gestern noch, weil nur auf dem oberen Teil die Sticker drauf sind, auf dem unteren nicht und da haben wir uns gefragt, warum das so ist, ob auf die Sticker noch aus dem alten Laden sind oder aus dem neuen Laden.
F: Ich glaube in dem alten Laden war die Tür einfach anders rum drin, also jetzt ist die Innenseite außen und deswegen sind die Sticker so komisch.
N: Ich glaub’ das merken viele auch gar nicht, dass da ‘ne alte Tür steht.
F: Aber ich glaub’ sowieso, voll viele Menschen, die im alten Laden einmal waren und jetzt hier in den neuen reinkommen, sind so: »Hä, ist das umgezogen, der Laden?« Voll viele! Wir haben so viele Sachen und so viel Flair – also ich mein’ rot und schwarz ist auch wiedererkennbar – aber wir haben so viel Flair und Atmosphäre aus dem alten Laden mitzubringen, dass voll viele Leute allein, wenn du rein kommst, ist es trotzdem das Molotow und es sieht trotzdem genauso aus wie früher, nur halt ein bisschen größer.
N: Also was man so mitbekommt, einige finden es jetzt auch schöner oder es ist halt cool mit dem Backyard draußen, das hatte ja das alte Molotow nicht.
F: Ja ich glaub es gibt immer die paar alten Leute, die so sind: »Früher war alles besser! Früher der alte Keller-Club und so verranzt und so…« Und hey es ist immer noch auf jeden Fall verranzt! Aber es ist natürlich viel größer, und der Garten gerade ist halt voll schön und hält uns auch gerade jetzt auf jeden Fall ein Stück weit am Leben, durch den Biergarten, den wir geöffnet haben. Es gibt überall solche und solche Leute, die dann sagen: »Früher das Molo, klein und verraucht.« Hey, wir sind immer noch Punk-Rock! Wir haben die Attitüde immer noch! Wir haben nur einen bisschen größeren Laden. Ja also ich glaube, das Molo ist einfach echt wirklich mit vielen anderen Läden hier echt ein besonderer Ort auf Pauli und das merkt man daran, wir sind super dicke mit vielen anderen Läden, die wir auch super toll finden, wir sind in mit dem Konzertläden natürlich persönlich auch super befreundet, aber auch mit so Kneipen Gun Club, Komet Bar, es ist einfach glaub’ ich sehr familiär, man geht sich einander besuchen und trinkt sein Bier woanders und freut sich, wenn Mike vom Gun Club her kommt und ich freue mich wenn ich da bin und hallo sagen kann. Genauso ist das auch mit Bands, wenn ‘ne Band hier spielt und fragt: »Hey, wo sollen wir noch hin gehen?« Ja, wenn wir halt nicht offen haben, dann schicke ich die halt in den Gun Club, sollen die da halt ihre paar Hunnis vertrinken. Auf jeden Fall. Oder man empfiehlt einfach so coole Bars dann halt weiter, die man selber auch total feiert.
Es gibt auf jeden Fall sehr viele schöne Anekdoten. Also es gibt sehr viele witzige Anekdoten. Meine Lieblingsanekdote ist von Andy Schmid dem Inhaber vom Molotow, der legt zweimal im Jahr auf bei Flower Power Space Rock. Man muss auch sagen, viele Bands haben schon hier gespielt, alle Indie Rockbandes, die man so kennt von Wombats bis Black Keys und wat weiß ich wer, alle haben hier schon mal gespielt auf der Bühne und hier kommen auch viele Bands hin, die mittlerweile sehr groß sind und halt nicht mehr hier spielen können aus platztechnischen Gründen, so Frank Turner kommt immer ins Molotow, wenn er in Hamburg ist und auf Andys bezogene Flower power Space Rock Party hatte er einen sehr besonderen Besucher, nämlich Charlie Sheen. Andy legt immer so ein bisschen Seventies, Eighties, Sixties Kram auf, so super psychedelisch und er spielt an einem Abend mindestens viermal the Doors. Und Charlie Sheen ging auf Andy zu, hinterm DJ Pult und meinte ich gebe dir, es war irgend’ne große Summe, waren es 500 Tacken, ich weiß es nicht mehr, »Ich gebe dir 500 Tacken, wenn du jetzt the Doors spielst, mit Song X, Y!« Und Andy so: »Auf Jeden! Das Geld nehm’ ich mit.« Hat Charlie Sheen das Geld eigentlich umsonst ausgegeben, weil das wär’ eh gelaufen. Aber hat er sich bestimmt gefreut, der Charlie Sheen. Wär’ ich gerne dabei gewesen an dem Abend. Das ist glaube ich Andys Lieblingsstory, auf jeden Fall. Die erzählt er immer sehr gerne, das war schön.
N: Es ist auch immer schön zu sehen, wenn Bands da sind, vor allem junge Bands und wir haben ja im Club die Wall of Fame drangeschrieben, oder auch in den Gästebüchern gucken, was für Bands hier schon gespielt haben, dann sind die auch immer so ein bisschen Fangirl-mäßig unterwegs, das ist immer ganz süß zu sehen so, die finden das natürlich auch super dann, auch hier spielen zu dürfen.
F: Häufiger es ist dann auch so, dass die sagen: »Ich hab’ im Programm gesehen, nächste Woche spielen meine Freunde aus … keine Ahnung, aus ‘nem ganzen Land oder einer anderen Stadt hier!« Ud dann hinterlassen die so eine schöne Botschaft hier für die und dann so: »Hier, das müsst ihr denen unbedingt geben! Oder darf ich ‘ne Sprachnachricht auf dein Handy aufnehmen und das zeigst du denen dann!« Und sind dann immer so super exited und freuen sich voll darauf, dass irgendwie Freunde von denen hier auch spielen. Das ist schon schön. Es gibt schon sehr, sehr viele, schöne Momente in diesem Laden und sehr viele tolle Bands, die hier spielen, die auch super sympathisch sind, mit teilweise auch Bands, mit denen sich dann voll die Freundschaft entwickelt. Und ich hab’ das erste Mal Royal Blood im Molo gesehen, wir haben die Gästeliste so vollgeknallt, keine Ahnung, ich glaub’ gezahlt haben vielleicht dreißig Leute, wenn überhaupt. Am Ende waren vielleicht fünfzig da. Und ich glaub ein halbes Jahr später haben sie die Goße Freiheit 36 ausverkauft, weil dann das Album kam und dann war’s so, crazy, alle waren Fans! Und ich war so: »Warum wart ihr nicht bei uns? Wir hätten gerne das Geld gehabt. Wir hätten gerne ‘ne ausverkaufte Show.« Aber nein, damals war die Band noch zu underground. Keiner kannte die. Echt verrückt, aber man wartet auch immer ein bisschen drauf, wer ist die nächste Band, die durchstartet und hier gespielt hat?
N: Vor allem jetzt so, wo schon einige, die jetzt gerade größer werden bei uns gespielt haben.
F: Ja wer sind denn so die letzten? Sam Fander, der hat auch hier gespielt, Fontaines D.C., stimmt, ist auch nicht lange her, dass die hier gespielt haben. Ja wer ist die nächste Band? Ich möchte wieder Konzerte haben, dass der Backstage wieder voll ist.
N: Was hier auch für Storys dann erzählt werden.
F: Ja voll, vor allem, wir haben ja super häufig echt so sechs Shows an einem Abend, an ‘nem Freitag oder Samstag haben wir ein normales Konzert, danach noch ein Late Night Ding, dann oben noch ‘ne Bar, dann unten im Keller noch ‘ne Band, da treffen sich schon gerne mal sechs Bands an ‘nem Abend im Backstage und häufig ist es dann echt so Musiker-WG-Style, oder manchmal kennen die sich auch, als Young Blood oben in der Sky Bar gespielt hat und unten im Club hat irgend ‘ne andere Band gespielt und die waren mal Mitbewoher. Und dann waren die so: »Oh mein Gott, du spielst hier auch?!« Sowas ist halt immer so witzig dann.
N: Die Bands wissen das dann häufig auch gar nicht, die sind dann so: »Hä, wo spielen denn hier noch Bands?« »Ja, oben.« »Ah, Crazy! So viele Bands hier.« So wie ein Festival. Und dann gucken die sich dann immer gegenseitig an. »Ja können wir dann auch die Band angucken gehen?« »Ja klar, kein Problem!«
F: Das ist echt immer schön. Da ist es immer voll schön, wenn man sich dann einfach mit ‘nem Bier in die Ecke stellt und einfach zuhört und die so voll am labern und diskutieren sind, das ist voll schön.
Ja ich glaube, so viel zu schönen Storys vom Molotow.
N: Das war das wunderschöne Molotow!
F: Kommt vorbei. Aber, wenn wieder Regelbetrieb ist, wenn Konzerte sind, normale. Aber auch in die Schankwirtschaft. Jetzt im Garten und irgendwann später, in ‘nem Jahr, wenn wieder fünfhundert Millionen Konzerte sind, dann auch wieder zu Konzerten.
Sankt Pauli mit einem Wort …
N: Also ich find’, es hat voll ‘was Familiäres hier.
F: Hat es. Ich find’s schwierig, ein Wort zu finden. Ich finde Sankt Pauli steht für soviel. Sankt Pauli ist das Wort. Sankt Pauli ist das eine Wort, was für soviel steht, was halt nicht nur die Reeperbahn ist und die ganzen Pinneberger, die hierherkommen. Sondern das, war hier tagsüber passiert, das ist Sankt Pauli und das steht für so viele Sachen.
N: Ich glaub’ wenn man wo anders hin kommen würde und es sich da auch so anfühlt, könnte man sagen: »Ey, das ist voll wie Sankt Pauli.« Und dann weiß man, was gemeint ist.