Kleine Pause gefällig? In diesem kultigen Schnellrestaurant zwischen Schanzenviertel und Kiez gibt es alles, was das Fast-Food-Herz begehrt! Heiß und fettig kommen Burger, Pommes und Co. daher und dienen als perfekte Grundlage für den weiteren Verlauf des Abends.
»Und dann kam immer die Frage: ›Wie kannst du nur auf Sankt Pauli leben und arbeiten – beides?‹ Viele haben ja gar keine Ahnung, was Sankt Pauli bedeutet, die denken das ist die Reeperbahn … und die Reeperbahn.«
Also ich bin Sabine, mein Mann ist Thorsten. Wir beide machen die Kleine Pause, schon sehr, sehr, sehr lange, über 30 Jahre, 34 Jahre, ganz lange Zeit. Wir arbeiten da gemeinsam dran, dass wir das dann irgendwann an unseren Sohn und an unsere Schwiegertochter abgeben können. Da freu ich mich jetzt schon drauf, dann kann ich die Zeit noch ein bisschen mehr genießen – noch mehr.
Ich fange ganz von vorne an, wie wir da überhaupt zu gekommen sind.
Als ganz junge Frau bin ich damals gerne tanzen gegangen. Jeden Abend bin ich ins Posemuckel gegangen, das ist hinterm Rathaus. Das gibt’s heute gar nicht mehr. Das war direkt an einem Fleet, da konnte man reingehen, praktisch tiefer runter, das war direkt wasserebenerdig. Dann war das eben ein Lokal, wo du tanzen konntest und so ganz kleine abgeteilte Räume waren, wo du Hot Dogs essen konntest in dem einen, in dem anderen konntest du Crêpes essen. Da war also ein Rund-um-Sorglos-Paket: tanzen, Musik, was trinken, obwohl ich noch nie Alkohol getrunken habe – ja ich trink auch heute noch keinen und damals auch nicht. Ich war dann einen Abend zum Tanzen da und da habe ich meinen heutigen Mann kennengelernt. Bei uns ging das immer eigentlich alles ruckzuck, eigentlich von Anfang an. Ich wusste genau, das ist der Mann, mit dem ich alt werden möchte und ihm ging’s glaub’ ich genauso. Es ging bei uns wirklich sehr schnell.
Ich hab’ damals hier auf Sankt Pauli in einem Blumenladen gearbeitet, genau auf der Fläche, wo jetzt unser Imbiss ist. Die hieß Frau Buschner, der gehörte der Laden und die hatte drei Läden damals hier. Eine ganz urige Person, die hättet ihr gemocht, wenn ihr die kennengelernt hättet. Eine sehr burschikose, zielstrebige Frau, auch damals schon um die 60, hatte immer einen Zigarillo im Mund – immer! Egal, was sie gemacht hat, sie hatte immer ’nen Zigarillo im Mund. Ich hatte damals angefangen bei ihr zu arbeiten, weil ich von Altona hier nach Sankt Pauli gekommen bin. Durch Zufall eben, weil sie eine Floristin suchte und dann habe zwei Monate in der Kleinen Freiheit gearbeitet … Talstraße! ’Tschuldigung, jetzt verwechsle ich das! In der Talstraße neben der Heilsarmee, war früher so ein Tanzschuhladen, wo man so Tanzschuhe bekommt, und daneben war ihr Blumenladen. Da hab’ ich dann zwei Monate gearbeitet. Dann hat sie den Laden hier in der Wohlwillstraße aufgemacht, dann hab’ ich da gearbeitet. Dann hat sie aber relativ schnell gemerkt, das ist nicht das, was sie wollte und wollte den wieder abgeben. Ich hatte kurz vorher praktisch – also acht Wochen vorher – meinen heutigen Mann kennengelernt und dann sagte sie: »Möchtest du den Laden nicht haben?«
Ich sagte: »Auf keinen Fall!« Selbstständig? Niemals! Das traute ich mir nicht zu. Wenn du noch so ganz jung bist … also ich traute mir das einfach nicht zu. Er sagte dann: »Wieso denn nicht? Das ist doch eine klasse Idee!«
Ich sagte: »Neee …«
»Dann machen wir das anders«, sagte er, »dann nehm’ ich den Laden und du bist meine Angestellte.«
So sind wir damals 1981 in diese Ecke reingekommen. Also ich habe praktisch schon seit ’80 da gearbeitet und 1981 sind wir dann da rein. Das ist unglaublich. Also ’81, ’82, das war so im Wechsel. Somit war ich dann die Angestellte plötzlich und dann hatten wir einen Blumenladen. Mein Mann ist Maschinenschlosser für Dieselmotoren und hatte sich damals auch einen ganz anderen Lebensweg vorgestellt. Der hatte diesen Abschluss gemacht und war dann auch noch weiter gegangen, weil er noch studieren wollte und in der Phase, wo er eigentlich studieren wollte, aber es noch nicht hatte, lernte er mich kennen … und plötzlich hatte er eben keinen Studienplatz, sondern einen Blumenladen an der Backe. Manchmal ist das Leben so. Dann geht das plötzlich völlig verschiedene Richtungen.
Dann hatten wir den Blumenladen also. Den habe ich ja auch gelernt, den Beruf, aber so richtig … Es lief einige Jahre gut, aber dann hatte ich nachher keine Lust mehr so ein bisschen. Das ist ja auch nicht ganz einfach, diese Blumenhaltbarkeit ist ja auch immer sehr kurz.
Da hinten, das war damals noch eine reine Berufsschule und es gab nichts zu essen in dieser Straße, außer den Bäcker damals. Nichts, wo du ’ne Kleinigkeit essen konntest. Dann hatte mein Mann die Idee: »Wir bauen hier ’nen Imbiss rein!«
Ich sagte: »Jaja …«
Dann hat er sich das überlegt, er hat das auch immer geplant, also ich zieh immer mit, aber der Denker in Sachen dieser Art ist mein Mann. Ich zieh voll mit, weil ich da voll hinter stehe hinter dieser Idee, aber ich bin halt handwerklich nicht so. Dann hat er das entworfen. Das war alles Blumenladen da drüben und dann haben wir nachher, wenn du in den Eingang reingehst, die linke Seite war damals Imbiss und auf der rechten Seite haben wir den Blumenladen noch betrieben. Er hat also beides gelassen. Dann hatten wir praktisch nur eine Kochzeile und an der Wand hatten wir so eine Art Stehtresen, wie diese klassischen Imbisse das eben so hatten. Das war’s dann. Bei Schorsch ist es ja auch sehr eng und sehr schmal, etwas breiter war es bei uns schon, aber eben nur zum Reingehen, zum Hinstellen, eine Kleinigkeit essen und wieder rausgehen. Wir hatten beide keine Vorkenntnisse von Imbissen – einfach machen. Es war sehr holprig am Anfang, wenn du keine Ahnung hast, wie es funktioniert. Und sehr idealistisch, wenn du jung bist. »Das schaffen wir schon«, aber so einfach ist das nämlich nicht. Das hatten wir uns auch anders vorgestellt, einfacher, aber das ist einfach so. Dann haben wir wirklich ein paar Jahre den Imbiss und den Blumenladen gleichzeitig gemacht. Also 1986 ist dann der Imbiss entstanden, die Kleine Pause, damals war ich hochschwanger. Also ’86 ist unser Sohn geboren und die Kleine Pause, die sind also fast gleich alt. Die Kleine Pause ist etwas älter, die ist im Februar entstanden und unser Sohn ist im Juni geboren.
Ich war damals hochschwanger, als wir das umbauten. Jeden Abend musste ich dann die Blumen abduschen, weil die dann vom Hämmern und Klopfen eingestaubt waren. Das war schon ziemlich chaotisch.
Dann haben wir nachher beschlossen … Die Leute wollten sitzen. Die wollten einfach sitzen, auch wenn sie nur ’ne Pommes essen oder nur ’ne Wurst, dann wollen die Leute sitzen. Dann hat mein Mann das nachher umgebaut. Alles in Eigenregie mit meinem Schwiegervater zusammen und meiner Schwiegermutter damals, die unheimlich gut Fliesen kleben konnte. Ja, die war handwerklich total gut drauf, ich bin das überhaupt nicht. Dann haben wir den Blumenladen nachher eben rausgeschmissen und dann haben wir nur noch Imbiss gemacht. Dann haben wir ein paar Sitzplätze, ein paar kleine Tischchen reingestellt. In dem großen Fenster, was man heute aufklappen kann, war im Grunde genommen so ein Board im Fenster, wo die Leute auf Barhockern sitzen konnten, ihren Tellern auf dieses Board stellen und dann rausgucken konnten. Das konnte man damals noch nicht öffnen.
Dann haben wir Toiletten eingebaut, weil du das ja musst, wenn du Sitzplätze hast. Wenn du alkoholische Getränke ausschenkst, dann musst du Toiletten nachweisen. Das hat mein Mann auch alles gemacht. Das hat er alles selbst gemacht. So sind wir Stück für Stück gewachsen.
Früher haben wir dahinter ja noch gewohnt. Damals, praktisch zur Blumenladenzeit, gab es hinter dem Blumenladen eine Wohnung. Das war früher so, dass die Leute hinter den Geschäften den Wohnraum hatten. Den haben wir damals auch wieder umgebaut und mitgenutzt. Da war unser Wohnzimmer, unser Schlafzimmer, unsere Küche, wir konnten also vom Blumenladen direkt dadurch gehen. Aber in dem Moment, wo wir umgebaut hatten, mit diesen Toiletten und so, fiel das nachher weg. Da haben immer alle gedacht, da haben wir jemanden rausgeschmissen da hinten oder da musste ein Mieter irgendwie raus, aber das war unsere Wohnung damals und die gehört jetzt komplett zum Laden. Heute sind dahinten die Toiletten für Damen und Herren und dann eben unsere Stehtische, die wir dahinten stehen haben, und unser ehemaliges Schlafzimmer ist heute unsere Küche dahinten. Das ist schon ganz witzig. Da hat mein Mann immer eine Menge Arbeit reingesteckt. Der hat auch viel, viel alleine gemacht. Das ist schon eine ganz witzige Geschichte, wie wir hier angefangen haben. Sehr holprig. Die ersten zehn bis 15 Jahren ohne Urlaub, ohne Pause, sieben Tage die Woche, aber auch schon mit den ersten Angestellten, weil du es irgendwann nicht mehr alleine wuppen kannst. Das ist schon eine ziemlich spannende Sache.
Aber wenn man die Zeiten von heute und damals so vergleicht … Damals war alles sehr ruhig und entspannt, das ist heute natürlich ganz anders. Es steigert sich natürlich auch. Je mehr du zutun hast, desto stressiger wird das dann natürlich auch. Manchmal denke ich so: »Ey, war das eine geile Zeit!«
War richtig toll.
Es ist ’ne tolle Zeit gewesen. Es ist ja auch so, wenn du verbunden bist hier… Ich bin ja als ganz junge Frau nach Sankt Pauli, durch Zufall eigentlich, gekommen und mein Mann eigentlich nur durch mich. Damals war ich ja noch ganz blutjung und wir haben ja auch damals geheiratet hier in dieser Kirche hier oben. Weil wir Stammkunden aus dem Blumenladen hatten, ganz, ganz viele, die das einfach toll fanden, dass ihre kleine Blumenfrau jetzt heiratet, war die Kirche war rappeldicke voll. Der Pastor damals, der Pastor Neumann, ein ganz toller Mensch, der uns getraut hat, hat uns auch eine ganz besondere Trauung gemacht hat, so ganz persönlich, weil der uns auch lange kannte und dann auch ganz begeistert sagte: »Mensch, die Kirche war lange nicht mehr so voll!«
Das war richtig toll. Mit dieser ganzen engen … Familie würde ich fast sagen. Heute gibt’s auch ganz viele von denen, die hier immer noch wohnen, die mich schon so lange kennen. Das ist einfach ein tolles Gefühl, wenn du daraus kommst und dann steht die ganze Kirche voll, der Kirchenvorhof stand voll – das war eine ganz tolle Hochzeit, muss man wohl sagen. Das war ein ganz toller Einstieg. Und dass du so aufgehoben bist in diesem Viertel, so fühl ich mich hier. Mein Mann auch. Immer noch, auch wenn wir nicht mehr hier wohnen. Das geht nicht wieder weg. Das ist was anderes. Wohnen ist eine Sache, aber die Verbundenheit mit dem Viertel ist enorm groß.
Damals ging es immer darum: Wie kann man auf Sankt Pauli nur leben und arbeiten? Beides?
Viele haben ja gar keine Ahnung, was Sankt Pauli bedeutet. Die denken immer alle, das ist die Reeperbahn … und die Reeperbahn und die Reeperbahn und wieder die Reeperbahn. Die wissen ja gar nicht, was das bedeutet. Man kann hier so hier so tolle Menschen kennenlernen. So vielfältig, bunt, jung, alt, Architekten oder auch der Obdachlose, der vor der Tür steht und fragt: »Hast du nochmal was zu essen?«
Das findest du in keinem anderen Stadtteil … meiner Meinung nach. Also ich finde das hier … einfach klasse!
Wie ich vorhin erzählte sind wir ja ausgezogen sind aus dem Viertel, weil wir nachher im Kopf einfach keine Ruhe mehr fanden. Wenn du sehr dicht hier wohnst, also praktisch hier im Haus oder dahinter damals, dann kannst du nicht abschalten. Also wir können das sowieso ganz schwer, im Kopf abschalten. Du bist ständig beschäftigt mit dem Laden. Läuft das? Brauchst du was? Musst du was verändern? Klappt alles? Du bist immer mit dem Kopf dabei. Du kannst nie abschalten, wie jemand, der vielleicht nach acht Stunden nachhause geht und dann auch Party machen kann und dann auch wirklich loslassen kann. Das können wir beide nie. Deswegen wollten wir wenigstens phasenweise Mal ein bisschen runterfahren zumindest, dass du nicht ständig erreichbar bist. Wenn irgendwas war, dann bist du eben mal schnell rübergegangen oder – wir haben hier ja auch mal oben im Haus gewohnt – dann bist du eben schnell runter und das strengt an. Das zerrt dann nachher an den körperlichen und geistigen Kräften und das wollten wir nicht mehr. So haben wir jetzt ein Stückchen Entfernung und wenn was ist, dann können sie anrufen, dann können wir versuchen von da zu helfen, aber wenn’s nicht geht, geht’s nicht. Dann möchten wir auch ganz gerne mal so einen halben Tag nur für uns haben. Das ist wichtig, du kannst nicht alles aufgeben und alles dabei vergessen, weil dann kannst du die arbeiten auch nicht mehr machen. Das braucht man. Jeder braucht so seinen Rückzugsort und den haben wir jetzt gefunden da, wo wir sind. Das ist ganz toll. Jetzt fühlen wir uns richtig wohl da. Wir wohnen in Alt-Osdorf, das ist wie so ein kleines Dorf, jeder kennt jeden da in der Ecke. Man kennt die Nachbarn, den Hund, die Kinder … also das ist so, wie das hier früher eben auch war. Das ist hier ja heute auch noch auf Sankt Pauli, aber das hat sich eben verändert, das ist klar. Viele ziehen weg, viele werden größer, die Kinder von damals hauen ab, aber stehen dann auch plötzlich wieder bei uns im Laden und sagen: »Sabine, ich bin wieder da! Ich hab’ jetzt ’ne Frau und zwei Kinder. Wir wohnen wieder hier oben Am Brunnenhof.«
Sowas hatte ich vor zwei Monaten. Das finde ich eine ganz tolle Geschichte. Sowas haben wir ganz oft, dass die Kinder, die hier aufgewachsen sind, dann flügge werden, dann ihren eigenen Weg gehen und dann irgendwann wieder zurückkommen, weil sie sich dann hier so geborgen gefühlt haben, dass sie wieder zurückkommen – mit Familie dann. Das finde ich toll. Jetzt kommen schon die Kinder von den Kindern, das zeigt, wie alt wir geworden sind in der Zeit hier. Mein Mann ist jetzt grade 60 geworden, ich werde nächstes Jahr 60. Mehr als die Hälfte unserer Lebenszeit haben wir hier verbracht. Wenn ich hierher fahre, ist das wirklich so, als würde ich nachhause kommen. Das kann man überhaupt nicht beschreiben, das ist einfach nur ein Gefühl.
Ich kann hier auch rauf und runter gehen, du triffst immer Leute. Wenn ich hier früher zum Edeka Markt um die Ecke gegangen bin und sagte: »Ich brauch noch Brot, ich brauch noch Milch.« Dann war ich erstmal zwei Stunden weg.
Mein Mann sagte immer: »Was machst du die ganze Zeit?«
Ich sagte: »Dann habe ich den getroffen, dann habe ich die getroffen.«
Du kommst überhaupt nicht weiter. Dann machst du zehn Schritte und dann triffst du wieder jemanden und sagst: »Ahh … Wie geht’s dir?«
Ist das nicht schön? Also ich finde das toll.
[Jemand ruft etwas im Hintergrund.]
Den kenn’ ich auch, den jungen Mann, der jetzt grade vorbei geht und lautstark zu hören ist, auch als Gast. Ich würde sagen, auch so 25 Jahre. Das ist herrlich. Kann ich gar nicht beschreiben, ich mag es einfach.
Jetzt, wo wir uns längere Zeit mal rausziehen, mal so zwei Tage oder drei Tage die Woche, dann sind unser Sohn und unsere Schwiegertochter da und haben da ein Auge drauf. Das ist schon sehr beruhigend, dass wir uns nach und nach ein bisschen weiter zurück ziehen – und auch werden, weil ich denke, dass man so langsam auch mal loslassen können muss. Der Gedanke ist schon eigenartig. Das ist ein anderer Abschnitt, auf den man jetzt zusteuert, was noch ein paar Jahre dauern wird. Das ist ein Baby, was wir erschaffen haben, da drüben, was uns am Herzen liegt, was viele Kult finden. Da habe ich auch manchmal so Gäste: »Ey, was ist denn bei euch Kult?«
Ich sag’: »Das kann ich dir nicht sagen, frag‘ die anderen!«
Ja, was heißt ›Kult‹? Was bedeutet für manche Menschen ›Kult‹? Dass du das lange machst? Für einige, die uns schon ewig kennen, ist hier immer eine Anlaufstelle.
»Wo treffen wir uns?«
»Kleine Pause!«
Direkt die Ecke, ganz viele benutzen das als Treffpunkt.
Was ist daran Kult? Was heißt ›Kult‹? Das machen die anderen daraus, aber nicht wir. Wir sind da anders. Wenn die das so empfinden, dann ist das echt ein Kompliment, so seh’ ich das jedenfalls, und das zeigt, dass die verbunden sind damit, aber wie die eine immer sagte: »Was ist denn Kult an euch?« Die ist relativ neu hergezogen.
Sag’ ich: »Das weiß ich nicht! Was heißt ›Kult‹? Frag die Gäste, die das sagen!«
Ich kann das selber nicht beschreiben. Das ist eine ganz schwierige Geschichte für mich, aber es freut mich, wenn die anderen das so sehen und das ist eigentlich ein Zeichen, dass es ihnen gefällt, obwohl wir manchmal ja auch einen etwas derberen Ton haben. Wir haben ja alles Damen und Herren, die bei uns arbeiten, die sehr authentisch sind, würde ich sie mal so beschreiben. Ja, die meisten sind schon etwas reifer. Wir haben aber auch zwei etwas jüngere, also zwei Männer, die für uns arbeiten, und die heben unseren Altersschnitt erheblich, also dass er nach unten korrigiert wird, weil wir anderen sind alle schon zwischen 58 und 62. Und die sind alle schon Ewigkeiten bei uns. Wir haben zum Beispiel eine Dame, die mit mir auch meistens abends arbeitet, die Biene, die ist halt ein sehr direkter Mensch. Die sagt auch, wenn jemand so reinkommt: »Mhnemhne …«
»Kannst du nicht deutlich sprechen? Rede mit mir!«, sagst sie dann zu dann zu ihm, »Kannst du nicht? Ja, dann geh’ raus!«
Die pöbelt dann auch schon manchmal. Wenn sie ihn dann dreimal fragt »Möchtest du Mayo oder möchtest du Ketschup?« und da kommt nichts, dann kriegt er gar nichts. Wenn er dann wieder kommt: »Ich möchte Mayo …«
Dann sagt sie: »Ja, du sprichst ja nicht mit mir! Rede mit mir!«
Aber das ist noch sehr harmlos ausgedrückt. Manchmal ist das noch ein bisschen härter, was sie so raushaut. Auch die anderen, die da sind, sind manchmal sehr deftig. Einige können damit gut umgehen, die vermissen das auch, es gibt aber auch jüngeres Publikum, die damit gar nicht klarkommen mit dieser Art. Damit muss ich leider leben. Sehr, sehr viele mögen das eben, dass wir uns nicht so verbiegen und verdrehen. Ich bin da eher der ruhigere Typ, aber unsere Damen sind da schon etwas direkter manchmal. Sie haben meistens ja auch Recht, aber man kann manchmal das auch ein bisschen vorsichtiger ausdrücken, denke ich. Dann sind wir aber nicht authentisch. Ich will die Leute auch nicht verbiegen, das kannst du nicht, das darf man auch nicht. Dann sind wir nicht mehr die Kleine Pause. Das muss so sein und wem das nicht gefällt, dem kann ich da nicht helfen. Manchmal ist das dann einfach so. Also so ganz empfindliche Seelchen … Also man muss einfach mal da gewesen sein und sich das selber anhören und dann wird man das entscheiden müssen, ob man das abkann oder nicht. Es wird schon ziemlich laut manchmal, das ist wahr, weil wir auch keine Tischbedienung haben, sondern die Gäste setzen sich hin, die bestellen und – die Gäste, die öfter zu uns kommen wissen das – wir rufen das Essen aus, das bestellt worden ist. Erstmal geht das in einem normalen Ton, dann wird es lauter und wenn derjenige nicht kommt wird nur noch geschrien, dass die Currywurst Pommes und halbes Hähnchen Pommes FERTIG sind. Das ist schon fast KALT, wenn du nicht gleich kommst! Wirklich, das kannst du bis oben zur Kirche hören. Das ist bei uns so. Wir versuchen es noch immer moderat, aber wenn die dann nicht kommen, dann wird schon mit einem sehr energischen Ton nachgeholfen. Viele mögen das, also sehr viele, aber andere sagen auch: »Geht gar nicht!«
Wir machen das schon immer so und wir fangen jetzt nicht an irgendwelche neumodischen Sachen zu machen, das sind dann auch nicht wir. Wir benutzen neumodische Kassen und so, das reicht schon, aber nicht das Personal muss so sein. Das ist das, was die Leute mögen. Auch die beiden jüngeren Männer, die bei uns sind … Der eine ist ein sehr Ruhiger, der Costa, und der Paulo, der ist so typisch Italiener, der ist so Mitte 30 und hat so seinen speziellen Charme eben und kommt gut an, bei den Jüngeren und bei den Reiferen. Er ist so eine Mischung … Er ist damals als Kunde zu uns gekommen und ist dann bei uns geblieben. Die machen alle ihren Job sehr gut, aber den mögen viele Gäste. Der kümmert sich sehr süß. Für Kinder macht er Gesichter auf die Teller der Pommes, dass die dann so ein Gesicht angrinst. Der Costa ist eher der ruhigere Typ, der so ein bisschen reservierter bedient, aber immer höflich, immer freundlich.
Dann hast du aber neben dir auch mal ‘ne Kollegin, die sagt: »Ey! Benimm dich!«
Also ein bisschen rumranzt. Diese Mischung bei uns … der eine, der ein bisschen ruhiger ist, der eine, der ein bisschen flippiger ist, Jüngere und Ältere bei uns – das ist schon eine ganz tolle Mischung bei uns, finde ich. Interessant. Knallt auch manchmal, ganz klar, ist ganz normal. Wenn verschiedene Charaktere aufeinandertreffen, dann knallt es auch mal. Aber ich denke, das ist auch normal, oder? Finde ich jedenfalls. Das wichtigste ist immer, wenn du so eine Auseinandersetzung hast oder wenn du dich wirklich fetzt, dass du dir dann schließend wieder in die Augen gucken kannst, dass du nicht beleidigend wirst – persönlich beleidigend. Wenn es dann um die Arbeit geht, das ist was anderes, aber man darf dann eben nicht persönlich werden und das klappt eigentlich ganz gut. Manchmal naja, aber zu 99 %. Das ist ein ganz tolles Miteinander, das Team ist echt der Hammer. Die sind alle schon … auch der Paulo ist mittlerweile drei Jahre hier … also sie sind alle drei … Der Neue ist im Grunde genommen Costa, dann Christina, die Kirsche, die Maren. Die Maren, die arbeitet jetzt grade drüben, die kenne ich schon aus der Blumenladenzeit, das ist eine Freundin von uns, über lange Jahrzehnte schon. Irgendwann wollte sie ihren Job wechseln und dann haben wir in einer Zeitung inseriert »Wir suchen dringen einen neuen Mitarbeiter« und sie erzählte mir, sie guckt in die Zeitung: »Die Telefonnummer kenn’ ich doch!«
Ruft uns an und sagt: »Ihr sucht ’ne neue Mitarbeiterin?« 20 Jahre ist das her.
Ich sag’: »Ja. Maren bist du das?«
»Warum ruft ihr mich nicht an?«, sagt sie, »Ich wollte das doch schon immer!«
Und schwupp hatten wir wieder eine neue Mitarbeiterin. Zu Anfang war ich skeptisch, wenn du mit jemandem befreundet bist, ob das klappt, weil dann verändert sich das Verhältnis. Wir duzen uns aber alle.
Wenn jemand reinkommt und fragt nach dem Chef, nachmittags oder abends, und ich bin da und arbeite dann, dann sag ich: »Der ist nicht da.«
Weil ich das nicht wichtig finde. Wenn jemand den ›Chef‹ haben möchte, dann wollen sie meistens jemand männliches haben und dann schicke ich sie morgens zu meinem Mann oder so. Die wissen nicht, wer ich bin. Viele wissen, wer ich bin, wenn ich da drüben arbeite, aber viele wissen es auch nicht. Das ist ja auch nicht relevant, oder?
Ich finde das eigentlich ganz gut, dass das so ein Verhältnis ist, dass es eigentlich auf ziemlich gleicher Ebene ist. Ist es nicht, ist mir schon klar, aber diese persönliche Ebene ist schon sehr, sehr wichtig, damit das funktioniert hinterm Tresen und ich bin hinterm Tresen genauso eine Pommes Verkäuferin wie jeder andere auch. Ich glaube, das wissen die auch zu schätzen, dass wir beide uns da nicht so wichtig nehmen. Das ist vielleicht ein Teil von dem Erfolg der Kleinen Pause. Was genau, das weiß man nicht. Ich glaube die Mischung macht’s.
Wir sind sehr lange dabei sind, sehr kontinuierlich dabei sind und identifizieren uns sehr mit diesem Viertel. Wir sind beide Sankt Pauli Fans logischerweise, was anderes würde ja gar nicht in Frage kommen. Das ist, wenn du nach Sankt Pauli gehst, das ist ein Lebensgefühl, wenn du darüber gehst. Dieser Zusammenhalt. Du triffst ja dauernd jemanden. »Hallo Biene« oder »Hallo Thorsten«, so geht das die ganze Zeit. Das ist wie eine große Familie. Kannst den einen Leiden und den anderen kannst du nicht leiden, das ist in der Familie auch so, die mögen sich auch nicht immer alle 24 Stunden am Tag. Das ist auch normal. Ich finde, das ist – ich weiß nicht – so ein gut-aufgehoben-Gefühl für uns beide, für alle. Die Maren ist jetzt auch hier in die Nähe gezogen, weil sie das hier so toll findet. Von Lurup ist sie nach Sankt Pauli gezogen und hat jetzt ihr Zuhause gefunden.
Du kannst hier abends vor die Tür gehen … Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie Angst nachts alleine auf der Straße gehabt, hab’ ich nie. Es gibt andere Stadtteile, wo es wirklich ein bisschen finster, ein bisschen duster ist. Selbst, wenn hier nachts keiner mehr ist, zu sehen ist …, wenn du dich geborgen fühlst, dann hast du keine Angst. Brauch’ man auch nicht haben, auf jeden Fall nicht hier.
Ja, da ist dann noch eine ganz wichtige Geschichte in unserem Leben. Wir haben ja den Eisladen hier aufgemacht, ist jetzt auch schon elf Jahre her jetzt glaube ich … zehn, elf, elfeinhalb – keine Ahnung. Mein Sohn hatte Elektriker gelernt und wollte dann aber diesen Beruf nicht ausüben. Er wusste nicht so richtig, wo ihn sein Weg hinführt. Wir wollten in der Zwischenzeit diesen Eisladen verkaufen, hatten da auch schon einen Interessenten, der den haben wollte. Dann kam er aber an: »Kann ich das nicht machen? Kann ich das nicht versuchen?«
Und dann haben wir beide gesagt: »Versuchen kannst du das nicht. Du machst es oder du machst es nicht, weil das ist eine Entscheidung, aus der du nicht einfach so wieder rauskommst, wenn du es erstmal machst.«
Lange Rede, kurzer Sinn: Er hat’s gemacht. Er hat dann Eis machen gelernt und das ist auch nicht so einfach. Dann hatten wir familiär einen kleinen Rückschlag erlitten und unser Sohn musste den Eisladen zu machen für den Tag. Er ist dann wieder hergekommen, hat den aufgemacht und hatte ’nen schwarzen Anzug an – natürlich, wenn du zu einer Trauerfeier gehst – und hat dadurch unsere heutige Schwiegertochter kennengelernt. Das hatte sie ein bisschen beeindruckt. Sie war vorher schon als Kundin hier und als er dann bin seinem Anzug ankam, da war’s wohl … peng! So sind die ein Paar geworden und wir sind total glücklich, weil wir haben dazu ein Enkelkind bekommen. Der Maxi war damals zwei, als wir ihn kennengelernt haben, also ganz, ganz, ganz klein, und so haben wir plötzlich eine kleine Familie dazu bekommen, was wirklich ganz toll ist. Wenn du selber siehst, wie das eigene Kind glücklich ist, wenn es den Partner gefunden hat, den es so sehr liebt, also das ist schon als Elternteil … Was will man mehr? Als Eltern möchtest du, dass dein Kind glücklich ist, dass alles klappt, was sie sich vornehmen und dadurch, dass Kathrin auch aus der Gastronomie kommt, war das wie Pott und Deckel. Die haben sich gefunden. Das fand’ ich ganz toll und die beide machen das auch ganz klasse hier, muss ich sagen. Das ist mit unser persönliches größtes Glück, dass wir die kleine Familie dazu gekriegt haben und so eine tolle Tochter dazu gekriegt haben. Und ein tolles Enkelkind!