Die Haifischbar ist eine alte Seemanskneipe in Hamburg-Altona, in der Nähe des Altonaer Fischmarkts. Durch Film, Funk und Fernsehen wurde die Kneipe weltweit bekannt. Eine maritime und gemütliche Gaststätte am Hamburger Hafen.
»Ob jetzt die Schiffe zum zehntausendsten Mal hier reinkommen oder das immer das gleiche Schiff war, ich habe immer noch Faszination dafür. Ich mein, wer guckt nicht gern auf Wasser, ne?«
M: Moin, ich bin der Mirko
S: Moin, ich bin der Sven.
M: Ja wir kommen aus der Haifischbar, dem Familienbetrieb am Hafen in Hamburg, Große Elbstraße 128, seit 1947 sind wir in Familienbetrieb, mittlerweile in dritter Generation.
S: Ich arbeite hier schon vier Jahre, oder fast viereinhalb Jahre mit Unterbrechungen, teils. Und wie mein Kollege schon sagte, Familienbetrieb, direkt am Wasser gelegen, schöner kann man eigentlich nicht arbeiten. Viele Gäste kommen zu uns, Freunde lieben die Haifischbar. Und man kann ja sehen, Schiffe fahren rein, Schiffe fahren raus. Da ist immer was zu gucken, das motiviert natürlich die Leute und die kommen gerne her. Trinken ein Bier, essen was natürlich, ne Kleinigkeit, auch mal große Sachen.
M: Ja mittlerweile ist das möglich, vor dreißig, vierzig Jahren war das eine reine Seemannskneipe kann man sagen, wo sich eigentlich nur Seeleute, Hafenarbeiter und Engländer gegenseitig das Maul poliert haben. Ja das gibt’s heute nicht mehr, heute kommen überwiegend Touristen hier her, Hamburger natürlich, aber keine Seeleute mehr im klassischen Sinne wie damals, also ich glaub’ 99 Prozent der Seeleute sind Philippinen mittlerweile, die einfach kein Geld dafür mehr haben großartig saufen zu gehen. Und ein Bier langt bei denen dann auch, dann sind die unheimlich besoffen.
S: Das stimmt, so ist das.
M: Statt Seeleuten habe wir jetzt Touristen. Ist auch gut, aber ist ein anderes Arbeiten. Der Schwiegervater kommt damit nicht mehr klar, der brauchte das hier, die Seeleute, die Seefahrt, die Seefahrer Romantik, die gibt es einfach nicht mehr. Auf so ‘nem großen Containerschiff sind mittlerweile maximal zwanzig Seeleute drauf, damals sind hier hunderte immer von Board gegangen und dann ging’s los. Das war ein reiner Straßenstrich die Straße, Trucker ham’ sich hier getroffen, das war eine gute Kombination, um sich wirklich auf die Fresse zu hauen eigentlich. Es ging um nichts anderes, die Heuer versaufen, noch ‘mal eine Runde vögeln und dann geht’s wieder an Board.
Das ist nicht mehr ganz so, aber es ist etwas anderes, was jetzt die Generation, die jetzt am Zuge ist, glaube ich dann positiv sieht, weil ja auch gerade mit dem Tourismus und mit den Kreuzfahrtschiffen und so, das alles ja gerade noch im Aufbau. Jetzt durch Corona vielleicht ein bisschen gestört, aber ansonsten ist die Kreuzfahrtindustie ja wirklich am kommen. Die hatten vor 15 Jahren angefangen mit 70.000 Passagieren, jetzt sind sie bei zwei, drei Millionen in Hamburg allein schon.
S: Insgesamt 273 Kreuzfahrtschiffe pro Jahr in Hamburg im Wechsel. Wir haben drei Terminal, einmal Dockland, einmal drüber auf der anderen Seite der Elbe und einmal Hafen City, was natürlich für uns ganz toll ist, für die Touristen, die hier ankommen, aber der ganze Feinstaub, den die raushauen, pro Tag… Und wir haben nur ein Terminal, der Landstrom hat, die anderen nicht und das Nachrüsten kostet 14 Millionen und das ist für Hamburg nicht zu wuppen. Und es ist halt ein bisschen dreckiger. Obwohl Hamburg ‘ne schöne Stadt ist, dieser Feinstaub ist einfach da, durch die Schiffe.
M: Unser Oberhai, mein Schwiegervater, Gerd Schlufter, ist selber richtiger Sankt Paulianer, also in Sankt Pauli groß geworden, aufgewachsen, geboren, hat da damals seine Betriebe gehabt, sage ich mal, was genau kann ich euch nicht sagen, weiß ich auch nicht, weiß auch nicht, ob ich dafür Ärger bekomme, auf jeden Fall hat er da oben viel mit zu tun gehabt, und ist dann, in der Zeit oder es losging mit Waffen, Drogen und was weiß ich, da hat er sich dann oben von der Reeperbahn verabschiedet; das waren so in den achtziger Jahren. Und er den Laden übernommen hier von seiner Ziehmutter, Gerti Tietz. Ja wie gesagt die Haifischbar gibt’s seit 1947 hier unten am Hafen davor gab’s die Haifischbar schon mal auf der Reeperbahn, das war aber mehr Puff als Kneipe. So ist das hier.
S: Das Bild hat sich natürlich in den Jahren ein bisschen verändert, es ist viel neues dazu gekommen. Wenn ihr überlegt, wenn man von der Haifischbar ausgeht und rausguckt, rechte Hand war früher bis hoch der Fischmarkt. Das hat sich alles reduziert, das alles komplett ging bis da runter. Wo das Haus hier vorne steht, linke Hand, wenn du von der Haifischbar hier links ‘rausguckst, das Haus wurde gebaut, da war früher der Weihnachtsmarkt, wo du Weihnachtsbäume kaufen konntest – komplett Haus gebaut, weg. Jetzt ist der Fischmarkt halt nur ab Fischauktionshalle und so ein bisschen hier her, nicht mehr viel. Und meistens sitzen da türkische Händler – nichts gegen unsere türkischen Einwohner, aber es sind viele Händler, es hat mit dem Bild des Fischmarktes eigentlich nicht mehr viel zu tun. Es gibt vielleicht noch Aale-Dieter, den Dänen, ein paar kleine Imbisse, die sich noch über Wasser halten konnten, der Rest ist halt eben, ja nicht mehr so schön leider.
M: Ja, das Problem ist, dass der Fischmarkt eher zum besseren Flohmarkt geworden ist, finden wir jedenfalls. Aus unserer Sicht hat Hamburg sich da nicht bemüht, das irgendwie aufrecht zu erhalten, das sieht man jetzt auch, in den Coronazeiten, jeder Flohmarkt darf aufmachen, aber der Fischmarkt nicht. Man hat immer das Gefühl, dass der Fischmarkt so ein Dorn im Auge ist. Finanziell, für die Stadt irgendwie, ich weiß auch nicht. Ist halt schade, dass es nicht mehr so ist, wie damals, aber das liegt zum Teil mit daran – aus unserer Sicht ist der Fischmarkt was die Kultur Hamburgs angeht, ganz oben mit dabei und gehört auch für jeden Touristen mit ins Programm, zum Fischmarkt zu gehen – das gibt’s leider so nicht mehr. Von der Stadt, zu sagen, das wollen wir aufrecht erhalten. Man hat immer das Gefühl, dass die das am besten auch alles abreisen wollen, da irgendwie ein Büro hin bauen und fertig. Eine Last weniger so ungefähr.
Wir sind wie gesagt nicht mehr so wie damals, die Zeit von den Zuhältern ist hier unten vorbei
S: Das Bild hat sich so verändert, dass wir noch da sind, das Alte, was noch seit 1947 besteht, es wurden ein paar Veränderungen gemacht, es wurd’ ein neues Klo angeschafft, weil Damen und Herren müssen ja getrennt aufs Klo gehen, früher war das ein Klo. Es war hier vorne ein Durchbruch, komplett zum anderen Laden durch, da saßen Damen des Gewerbes drüben, das war ein Laden, das hat sich dann getrennt.
Ich glaube was mein Kollege sagen möchte ist, das Bild, was sich hier unten abspielt, mit den neuen Häusern, ein bisschen schicker alles, man hat sich einfach angepasst ein bisschen, man hat das Essen ‘reingebracht in die ganze Geschichte, was wir jetzt haben, und wir haben uns eigentlich im Großen und Ganzen zwar nicht verändert, aber wir tolerieren das auch sehr, dass die Leute hier sich ein bisschen verändert haben. Wir bringen das mit rein, aber wenn die Leute zu uns kommen, sich hier hinsetzen, dann ist das für die so, als würden die in die Vergangenheit wieder zurückreisen. »Oh ihr seid noch da, es gibt euch noch?« Das ist so ‘was Schönes, wo auch ältere Leute kommen und sagen »Oh man, ich war vor dreißig Jahren, zwanzig Jahren, zehn Jahren hier, ihr seid ja immer noch hier und es sieht genauso aus wie früher.« Das ist das schöne.
M: Und allgemein hat sich das glaube ich so verändert, dass wir eigentlich nur noch mit die letzte Hafenkneipe sind, es gibt den Schellfischposten um die Ecke, die Haifischbar, und das war’s. Von über vierzig, fünfzig Kneipen in den Siebzigern noch, ist das jetzt alles vorbei. Wir sind die letzte Anlaufstation was Hafenkneipen betrifft und wir halten durch. Es ist auch immer ein Generationsproblem gewesen, dass die da unten am Fischmarkt – Eierkahn und so, dass die keine Nachfolge hatten, beziehungsweise sie hatten welche, aber die haben gesagt, ne sie gehen lieber studierenden, was auch schön ist, alles gut, aber somit haben die dann verkauft, verkauft, verkauft, alle wollten eine total modische Cocktailbar ‘draus machen und schon ist das Ganze dann in’ Arsch gegangen auf gut deutsch. Deswegen sind wir hier so die letzte …
S: das letzte Bollwerk.
M: … am Hafen, so kann man’s sagen. Damals war das wirklich hier die Große Elbstraße, ‘ne alternative zur Reeperbahn. Ist es ist immer noch, aber schon in Richtung Schickimicki. Also wenn die Leute hier rein kommen bei uns, dann haben die immer das Gefühl »Oha, ist ja geil!« Also am Anfang stehen sie mit Krawatte und schüchtern, nach dem dritten Bier ist die Krawatte ab, das Hemd ist auf und los geht’s. Und das Tattoo kommt dann wahrscheinlich auf der Reeperbahn nachher auch noch dazu.
S: Ja ob ein reicher Mann hier steht und ein armer Mann, jeder bekommt das gleiche. Und jeder wird auch gleich behandelt. Wer sich nicht benimmt, der darf gerne gehen. Wir machen hier kein »Du bist reich, du bist der Tolle, du bist arm, du bist der Schlechte.« Das machen wir hier gar nicht.
M: Ja den Sechzigern hatten wir hier – sechziger, siebziger Jahre, war das so, dass hier Leute wie Freddie Quinn vorgespielt haben. Es gab hier keinen großen Anlaufpunkt, damals gab es den Star-Club auf der Reeperbahn, klar, mit den Beatles und so, das fing aber alles später an. Wenn du dich als Musiker beweisen wolltest, hast du einfach gesagt du klapperst die ganzen Hamburger Hafenkneipen ab und trällere los. So sind viele dann auch erfolgreich gewesen. Also die Idee ist ja nicht schlecht. Das macht kaum noch einer glaube ich einfach mal irgendwo vor zu spielen. Ja wenn sie ihn mit Flaschen beworfen haben, wissen sie, okay der ist nicht so gut und wenn sie ihn gefeiert haben, dann wussten sie, alles klar, das geht weiter. Und wie gesagt, deswegen ist hier auch ein Start gewesen, für viele, die einfach durchgestartet sind.
S: Ja die Beatles ja im Star-Club, es gab viele Jazz Clubs hier in Hamburg, die gibt’s ja gar nicht mehr. Und irgendwo saß dann mal so ein Produzent, der ein bisschen Ahnung hatte und sagte »Den nehmen wir mal mit.« Früher war’s ein bisschen grober, aber auch noch näher. Wie in der Acadamy oder auf dem Hans-Albers-Platz, wo du Live Bands hast, früher musstest du dich dann auch wirklich beweisen, es ging nicht anders. Wenn du gut warst, das probieren wir dann mal aus. Gehen ins Studio, gucken wir mal, was der Junge kann. So gab’s ein paar wie der Gunter Gabriel. Der jetzt auch gestorben ist, ist die Treppe runtergefallen, nicht wieder aufgewacht. Ist natürlich schade, klar.
M: Ich persönlich würde den Stadtteil Sankt Pauli mit den Worten beschreiben, wenn ich die Hafentreppen ‘runtergehe, genau das gleiche Gefühl, wenn dem Auto hier lang fahr, je näher ich Richtung Sankt Pauli komme, ist für mich immer ein Stückchen Freiheit und dass das verbinde ich mit Sankt Pauli. Einfach Freiheit
S: Seit fünfzig Jahren lebe ich, wohne ich hier, wie gesagt, das Bild hat sich verändert, aber für mich ist es einfach immer noch keine Langeweile, wenn ich ‘rausgucke, ich bin nicht satt, sondern ich kann mich immer noch satt sehen dran. Ob jetzt die Schiffe zum zehntausendsten Mal hier reinkommen oder das immer das gleiche Schiff war, ich habe immer noch Faszination dafür. Ich mein, wer guckt nicht gern auf Wasser, ne?
M: Wir arbeiten ja mit dem Anker Verlag gerne zusammen. Ich weiß ob ihr es schon mal gehört habt, in der MOPO haben wir durch Stefan Krügner – das ist der Verlagsleiter – einmal im Monat eine komplette Doppelseite, wo wir drinstehen und wo dann Geschichten aus der Haifischbar stehen. Da gibt’s auch eine Audiodatei, die man sich herunterladen kann und da sind dann die 17 spannendsten Geschichten der Haifischbar drin.
Zu jedem Bild, das hier hängt gibt es eigentlich eine Geschichte, das hier vorne, mit dem Riss zum Beispiel, das ist hier damals ein Typ gewesen – also mein Schwiegervater hat gearbeitet, das war irgendwann in den sechziger Jahren, und hier war die Kneipe voller Seeleute und der hat dann nur gefragt »Willst’ ein Bier haben?« Und die haben ihn nur angeguckt »Sag mal biste bescheuert? Was ein Bier, bring mal fünf Kisten her und dann können wir weiterreden!« Und dann haben sie sich die fünf Kisten in den Kopf geprügelt, er hat immer die Kisten nachgestellt und irgendwann ist er weggegangen, hinter ‘n Tresen und dann ging hier die Post ab, aber richtig. Und dann haben sie sich hier beworfen mit Hackebeilen und haste nicht gesehen und als er dann wiederkam und gefragt hat, was hier los ist, da haben sie sich schon wieder umarmt und getrunken. Ja irgendwie anders, ne.
S: Es ist anders heutzutage ist es irgendwie »Entschuldigung, darf ich mal durch« und so. Wenn du irgendwie lauf wirst, manche Leute können’s nicht haben.
M: Es gibt auch keine Hauereien mehr, das ist vorbei. Dieser Ort ist ’60 geboren, sage ich mal.
S: Mit Sankt Pauli haben wir auch nicht so viel mehr zu tun.
M: Das Sankt Pauli von heute, nee. Das ist halt so ein riesen Unterschied geworden, wenn du mal guckst, die Reeperbahn, wie sie heute ist, wie sie jetzt ist und die Große Elbstraße, wie sie jetzt ist …
S: Das Bild hat sich schon verändert.
Dann noch eine Geschichte, mit der Asta-Uhr, das wollte ich noch erzählen. Ich hatte mal ‘ne Gruppe hier, von ungefähr 25 Leuten hier, die haben gut getrunken, viel Geld dagelassen, blieb am Ende noch der harte Kern über von fünf Leuten und die haben dann auch noch ein bisschen Gas gegeben, dann haben die tschüss gesagt und sind gegangen. Kam die Nachbarin zu mir und sagt: »Einer hat was unterm Arm.« Dann guckten wir zuerst und dachten ein Tablett, gucken wir hier hin – die Uhr ist weg. Sind wir hinterhergelaufen, die Uhr genommen, mein Kollege wollte schon ausholen, ich meinte: »Nun komm lass mal. Bringt eh nichts, wegen so ‘ner Plastikuhr.« Aber man macht so ‘was nicht. Es haben sich fünf Leute danebenbenommen und die anderen 20 dürfen auch nicht mehr rein. Haben es denen verscherzt, ist blöd, macht man nicht. Das zum Benehmen. Egal wie viel du trinkst, wenn du Mist baust – man klaut doch keine Uhr.
M: Tolle Geschichte!
S: Ja Wahnsinn. Die andere Geschichte erzähl’ ich lieber nicht, das ist zu schmutzig.