Kaum jemand hatte vor 40 Jahren gedacht, dass Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen die Chance haben, Künstlerin oder Künstler zu werden. Das Atelier war die beispielgebende Idee des vor sieben Jahren verstorbenen Künstlers Rolf Laute. Vertreten sind alle der 32 zurzeit im Atelier tätigen Künstlerinnen und Künstler.
»(...) es ist ein Stadtteil, der auch so sehr bunt gemischt ist und auch mit dem Publikum sind das glaube ich eher offene Leute, die auch eher offen auf die Künstler zugehen. (...) Also man fühlt sich da wohl. Oder?«
Host: Hier werden Sachen gemacht.
Anna: Sag mal, was du hier machst.
H: Alle machen hier Sachen.
A: Also das ist ein Atelier hier, das Atelier der Schlumper. Und Host Wessel, der hier neben mir sitzt ist Künstler.
H: Am längsten!
A: Er ist schon am längsten dabei, der am längsten aktiv hier arbeitet. Und da stehen auch Bilder von dir.
H: 50 Jahre schon.
A: Ja, seit ’83. Schon sehr lange, von Anfang an eigentlich.
H: Mit Hannes und Rolf.
A: Genau, mit Rolf, der das Ganze angefangen hat und Johannes Seebas, der auch immer noch dabei ist.
H: Und Roland, der auch noch.
A: Roland gab’s damals noch, genau.
H: Und Eik!
A: Und jetzt sind wir seit 1998 hier, wir haben auch noch ein Atelier in der Thedestraße. Und wo war es am Anfang? Wo war das erste Atelier?
H: Bei uns in Schlump, wo ich gewohnt habe.
A: Genau, im Stadthaus Schlump und der Horst hat nämlich in dem Haus auch gewohnt. Wo das erste Atelier war. So ist er dazu gekommen, ne?
H: ’73 schon!
A: Du hast seit ’73 da gewohnt und ’83 sind die Schlumper da eingezogen.
H: Im Keller, wo die Wohnung zu Anfang war. Hanne war schon da, Bruno war da und Rolf. Und du warst ein kleines Mädchen.
A: Ich war ein kleines Mädchen! Und das Haus ist dann verkauft worden, da am Schlump und der Schlachthof hier wurde stillgelegt und dann sind wir sozusagen 1998, als fertig umgebaut war, sind wir hier in dieses Atelier gezogen.
H: Da gab’s auch einen Film!
A: Ja, da war auch Fernsehen da. Da gab’s einen Film, ‘ne große Ausstellungseröffnung und alles Mögliche.
Seit 2014 haben wir noch einen Ausstellungsraum hier um die Ecke, in der Marktstraße, weil das Atelier ist ein bisschen zu eng geworden, es sind immer mehr Künstler geworden, es ist ein bisschen weniger Platz, früher haben wir beides, Ausstellungen und Arbeiten gemischt, und dann haben wir gedacht, okay, wir brauchen eigentlich einen extra Raum nur für Ausstellungen.
H: Der Verein ist auch noch dabei!
A: Es gibt auch noch einen Verein, Freunde der Schlumper e.V., da müssen wir immer ein bisschen Werbung machen, weil der Verein finanziert die Galerie mit und sammelt Spenden, macht ganz viele Projekte und war ganz lange auch Träger des Projektes und jetzt gehören wir zu Alsterarbeit. Eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung in Hamburg und seit 2002 gehört das Projekt zu Alsterarbeit, also das sind Werkstattarbeitsplätze. Fest angestellt Künstler, sozusagen.
H: Dann gibt’s noch den Verein.
A: Ja und der Verein, der bezahlt auch viele Sachen.
H: Auch ich mache da mit.
A: Horst ist auch Mitglied im Verein.
H: Ja, ich bezahle das, von meinem Geld.
A: Du bezahlst Mitgliedsbeitrag. Genau, man kann Mitglied werden und die Schlumper unterstützen. Also Ausstellungsprojekte, Reisen, Kataloge, all solche Dinge, die werden dann über den Verein finanziert.
H: Da mach ich auch immer mit.
A: Du hast auch ‘was gekauft letztens, einen Katalog.
Also hier arbeiten – weißt du, wie viele Künstler hier arbeiten im Moment?
H: 30.
A: 30 ungefähr, genau, die kommen jeden Tag – im Moment, wegen Corona nur zwei Tage die Woche jeweils, sonst eigentlich fünf Tage, jetzt dürfen halt nicht alle auf einmal kommen und dadurch ist es jetzt so, dass man nur zwei Tage arbeitet, das ist ein bisschen doof, aber besser als gar nichts.
H: Muss ich, weil ich ja in Rente gehen will.
A: Und Horst ist ja auch schon alt, der will irgendwann in Rente gehen.
H: Ja, muss ich!
A: Muss man nicht, aber kann man.
H: Ich bin ja auch schon 65.
A: Also Horst ist hier jeden Samstag auch zu treffen, weil hier dieser Flohmarkt ist und er arbeitet auf dem Flohmarkt auch mit und hilft und eigentlich kennen ihn auch alle hier, weil er allen hilft, beim Aufbauen und abbauen, nachts um 3 fängt er an.
H: Beim Aufbau.
A: Ja. Wir hatten eigentlich das Atelier auch immer sonnabends geöffnet und da hat Horst dann auch noch hier mitgeholfen, aber im Moment haben wir auch wegen Corona das Atelier leider sonnabends zu.
H: Dann will ich auch wieder mithelfen!
A: Ja, irgendwann wieder, irgendwann wieder.
H: Ich bin großer Sankt Pauli Fan.
A: Er ist auch noch Sankt Pauli Fan, also Horst ist sehr identifiziert mit dem Stadion und Sankt Pauli würde ich sagen.
H: Ich hab’ auf Sankt Pauli meine Heimat da! Habt ihr schon gesehen, mein Bild da?
A: Nein, das haben die noch nicht gesehen, dein Bild im Stadion, aber vielleicht bald. Ich weiß nicht, ob es noch zu sehen ist, aber er hat es letztes Jahr für die Millerntorgallerie gemalt im Stadion und weil dieses Jahr die Millerntorgallerie ausgefallen ist, ist es bis jetzt glaube ich nicht übermalt. Deswegen hat er Glück gehabt. Sonst wird jedes Jahr alles wieder weiß gemacht und neue Bilder gemalt, deswegen kann es sein, dass das noch da ist.
H: Du hast das auch auf Film.
A: Wir haben Fotos davon, aber das habe ich jetzt nicht hier.
Identifizieren wir uns mit Sankt Pauli … Ja, irgendwie schon, oder mit dem Karolinenviertel vielleicht auch. Also wir sind ja auf der Grenze zwischen Schanzenviertel und Karolinenviertel, die Galerie ist im Karolinenviertel. Also ich seh’ uns hier auch immer noch ein bisschen mehr als Karolinenviertel, wobei ja es ist beides.
H: Da war noch Rolf da, der hat da gewohnt.
A: Genau, Rolf Laute, der das angefangen hat mit den Schlumpern, der hat hier auch gewohnt. Das ist mein Vater, ich hab’ hier auch immer gewohnt, deswegen identifiziere ich mich mit dem Karolinenviertel.
H: Dein Vater ist 2013 gestorben. Sarah und andere auch hier.
A: Ja, es sind schon viele Tod, auch von den ersten Schlumpern, weil natürlich damals auch schon einige älter waren.
Auf jeden Fall – doch ich finde, das ist ein guter Stadtteil für die Schlumper, erstmal ist es so zentral und die Künstler, die wohnen ja über ganz Hamburg verteilt. Das heißt also, die kommen ja aus allen Richtungen. Und das ist sozusagen die Mitte von Hamburg und deswegen, wenn man jetzt irgendwo an der einen Seite wäre und jemand kommt aus Bergedorf und muss nach Blankenese fahren, dann wär’ das halt sehr weit, so ist es in der Mitte und die kommen wirklich von Kaltenkirchen aus Bergedorf und das ist immer noch zu erreichen. Also deswegen ist der Standort optimal. Und es ist halt auch ein Stadtteil, der irgendwie … – für uns ist das Toll, wir wollen ja auch, dass die Kunst gesehen wird, mit der Galerie ist das super, es ist ein Viertel, wo viel los ist, viele herumlaufen, das heißt, man hat auch immer wieder Besucher, das ist für uns ja wichtig, wenn wir irgendwo am Stadtrand wären, würd’ ja auch keiner vorbei kommen.
H: Eine Woche waren wir auch schon unterwegs, in Berlin.
A: Ja, wir waren auch schon mal in Berlin, das stimmt.
H: Überall schon.
A: Ja, die Schlumper sind schon viel herumgekommen, in Chicago warst du auch schon. Und in Italien mal.
H: Ja!
A: Aber, das jetzt von der Lage her, ist es einfach zentral und es ist ein Stadtteil, der auch so sehr bunt gemischt ist und auch mit dem Publikum, was hier unterwegs ist, sind das glaube ich eher offene Leute, die auch eher offen auf die Künstler zugehen, würde ich sagen. Es ist ein guter Ort dafür, also man fühlt sich da wohl. Oder? Du fühlst dich hier ja wohl, ne?
H: Ich, sehr.
A: Horst wohnt in Altona, das ist ja jetzt auch nicht weit weg, also da oben, Altona Altstadt, das ist ja eher so ein gemischtes Viertel.
H: Da ist auch die Schule, da in der Nähe.
A: Genau, es gibt noch die Schule der Schlumper, die Thedestraße, das ist ‘ne Kooperation zwischen einer Grundschule, der Louise-Schroeder-Schule und den Schlumpern und da haben wir noch ein Atelier, das ist direkt bei ihm um die Ecke. Und da gehen dann auch immer Künstler hin, arbeiten da mit Kindern zusammen und wechseln sich so ab. Das ist zu Fuß so 20 Minuten von hier.
H: Gerade mache ich das nicht mehr.
A: Im Moment sind wir hier, du bist im Moment hier, ne. Aber du warst ja auch mal da.
H: Die Kinder kommen jetzt nicht mehr.
A: Die Kinder kommen jetzt wieder, aber auch nur Donnerstag. Das sind jetzt diese ganzen Coronafolgen. Die Kinder dürfen im Moment nicht mit den Künstlern zusammen, das ist noch getrennt. Eigentlich haben die Kinder da mit den Künstlern von den Schlumpern zusammengearbeitet, halt inklusiv sozusagen, was aber im Moment halt auch noch nicht wieder geht. Irgendwann geht das alles wieder, hoffen wir.
Ich würde sagen, auch durch den Flohmarkt – im Moment ist der Flohmarkt und natürlich auch zu viel, aber eigentlich haben wir immer ganz viele Leute auch Samstag hier drin’, die einfach über den Flohmarkt gehen und dann hier ‘rein stolpern und das bringt natürlich auch…
H: Mit Kaffee und Kuchen.
A: Und dann gibt’s da Kaffee und Kuchen bei uns.
H: Auf die Toilette können sie auch dann.
A: Die benutzten unsere Toiletten.
H: Ja, die kommen immer zu mir.
A: Ja, Horst kassiert Toilettengeld. Also da ist dann viel Kontakt sozusagen, zu den Leuten aus dem Stadtteil.
H: Das machen wir wieder, wenn es eröffnet. Wenn das wieder vorbei ist.
A: Ja, das machen wir wieder.
Natürlich gibt es Veränderungen, also jetzt im Sinne von Sanierungen und Mieterhöhungen oder auch Klientel, also Bewohnerschaft wechselt natürlich, es sind andere Leute, die jetzt hier leben, als früher. Es ist auch sehr teuer geworden, also der Wohnraum zumindest, was jetzt für unser Atelier noch ganz gut ist, das geht alles noch und das ist hier ‘ne Mischung im Viertel aus städtischem Eigentum und privat und das Städtische Eigentum und das städtische Eigentum ist halt noch … ja, bezahlbarer vielleicht. Aber klar hat sich das verändert. Also es sind ja auch viel weniger Kneipen oder andere Kneipen. Also hier im Viertel sind eigentlich weniger Kneipen mittlerweile, als früher und mehr Cafés, Klamottenläden und so. Das ist natürlich klar, Gentifizierung, oder wie auch immer man das jetzt nennen will, das ist natürlich anders. Die Läden des täglichen Bedarfs sind nicht mehr da und dafür sind andere Sachen da, das merkt man schon. Aber trotzdem hat sich noch ein bisschen ‘was bewahrt auch von dem Charakter, den es auch früher hatte. Also es ist so beides. Kann man schwer sagen, ob es jetzt … – es ist anders, ich will das jetzt gar nicht werten, also dass es scheiße ist, wenn’s zu teuer ist alles, das ist kacke, aber jetzt von den Leuten, die hier wohnen, die sind eigentlich auch immer noch ganz sympathisch. Die meisten.
Stört dich was hier?
H: Ne, mich stört nichts.
A: Nö, eigentlich … also mich stören – aber das ist ja so Anwohnerquatsch, Schlagermove, das stört mich, oder Harley Days. Also solche Sachen, die haben mich jetzt vielleicht persönlich gestört, aber sonst, nö. Also mich stört, dass manches zu teuer ist, also Wohnraum zu teuer ist oder so, aber sonst stört es mich eigentlich nicht so, wie es ist.
Ne Anekdote … Also es gab einen Künstler, das war der Uwe Bender, das war auch so ein Star der Schlumper, der war zum Beispiel auch ganz viel auf dem Dom. Dom ist sowieso auch ‘was, das viele ziemlich toll finden.
H: Du warst auch mal auf dem Dom.
A: Ich bin auch gerne auf dem Dom!
H: Ich will mit dem Motorrad mal wieder herumfahren.
A: Willst du gerne? Auf dem Dom mit dem Motorrad herumfahren? Ja Dom ist schon geil! Und der Uwe Bender, der war halt auch auf dem Dom, die kannten ihn, der hat auf dem Dom auch immer seine Bilder verkauft zum Beispiel. Alles Mögliche, der hat da auch Musik gemacht und so. Also das war wirklich so ein Original, den alle kannten.
H: Da war er mit Station 17, war Uwe immer.
A: Ja, Station 17, ich weiß nicht, ob ihr das kennt, das ist eine Band, auch mit Musikern mit Behinderung, da hat Uwe früher auch gesungen, naja und der war auf jeden Fall auf dem Dom so ein Star, der hatte so einen Losbudenfreund, da hat Uwe immer gesessen und seine ganzen Bilder vor der Losbude aufgebaut. Also jahrzehntelang.
H: Der war auch mal bei uns in Schlump.
A: Ach so, du meinst Kai. Ja, das stimmt, Kai Beusen, der hat Station 17 gegründet. Und es gibt noch einen Künstler, der jetzt im Moment aber seltener Kunst macht, das ist Domenica Pavlowski, die ist auf jeden Fall auch ein Original auf Sankt Pauli. Rollstuhlfahrerin, immer total gestylt und überall unterwegs, es gab ‘ne Astra Werbung mit ihr, wo sie so um die Stange tanzt. Stammkunde im Elbschlosskeller, das ist im Moment alles nicht so richtig auf, aber die kennt eigentlich jeder auf der Reeperbahn.
H: Ja! Die ist immer im Fernsehen.
A: Die ist immer im Fernsehen, also ist in irgendwelchen Dokus. Also die ist schon auch so ein Original. Jetzt nur im Moment macht sie keine Kunst, aber sonst hat sie hier auch Kunst gemacht und ist halt überall immer nachts unterwegs, im Nachtleben. Aber Horst kennt eigentlich auch jeder hier.
H: Da sind wir auch auf einem Foto zusammen drauf, das hängt bei mir zu Hause, das Foto.
A: Das hängt bei dir? Okay!
Sankt Pauli mit einem Wort? Für mich ist das einfach so zu Hause. Aber ich wohn’ hier auch, seit ich geboren bin, das ist so … dörflich. Also ich kenn’ auch nichts anderes. Also ich finde es ist zu Hause, jetzt für mich persönlich ist es zu Hause.
H: Da vorne hast du auch gewohnt.
A: Ja, da vorne. Ich bin immer hin und her gezogen, aber nie weiter weg, ich hab’ immer auf der Seite vom Heiligen Geist Feld gewohnt. Also ich glaube es ist auch für Horst mit dem Flohmarkt, das ist so Lebensmittelpunkt. Jetzt ist Fußball zu, aber Flohmarkt, Fußball und hier, ja, das ist halt sein zu Hause. Du sagst doch immer so schön – wie sagst du immer mit dem „das Herz von Sankt Pauli“?
D: Sankt Pauli ist meine Heimat da!
A: Ja das ist doch schön, das ist doch ein gutes Schlusswort.